Bundesbüdchen
Bonn, Nordrhein-Westfalen

Bundesbüdchen

Kult-Kiosk der Bonner Republik

Otto Graf Lambsdorff kam schon so früh, dass er Zeitungen mit auspacken half, um sie mitnehmen zu können. Joschka Fischer stürzte sich immer auf die neuen Asterix-Hefte, Guido Westerwelle kaufte sich meistens Eis und Helmut Kohl schickte lieber seinen Fahrer, als selbst vorbeizuschauen. Neben der Politprominenz waren auch die Mitarbeiter der Ministerien und angrenzender Büros und das Wach- und Putzpersonal Kunden des Büdchens von Jürgen Rausch, der hier morgens Zeitungen, mittags Bockwurst und natürlich Getränke, Tabakwaren und Süßigkeiten verkaufte.

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Treffpunkt der Parlamentarier

Nach der Erweiterung des Bonner Regierungsviertels im südlich der Innenstadt gelegenen Gronau und der hiermit verbundenen, wachsenden Zahl der Beschäftigten wuchs zugleich der Bedarf der zahlreichen Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens in fußläufiger Nähe. So entstand 1957 an der damaligen Görresstraße (heute Platz der Vereinten Nationen) ein Verkaufspavillon. Das unterkellerte Gebäude erhob sich eingeschossig auf einem längsovalen Grundriss. Über dem gekachelten Brüstungsgesims umschloss den Bau eine hohes umlaufendes Fensterband mit zum Teil konvexer Verglasung. Die vorkragende umlaufende Fensterbank fungierte gleichzeitig als Theke. Ein weit ausschwingendes, der Bauform folgendes Flachdach schloss den Pavillon ab. Die elegant geschwungene Architektur mit ihrer starken Durchfensterung und der leichten Bedachung vereint viele Stilmerkmale der 1950er Jahre und ist zugleich ein typisches Gebäude einer Zeit, in der solche Bauten als Zeitungskioske oder Erfrischungs- und Trinkhallen eine neue Blüte erfuhren.

Das Bundesbüdchen wird heimatlos

Schnell erhielt der Pavillon den Namen „Bundesbüdchen“. Zahlreiche Spitzenpolitiker, Abgeordnete und Journalisten aus aller Welt zählten zu den Stammkunden, so dass der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm rückblickend sagen konnte: „In keinem Regierungsviertel der Welt gibt es einen solchen unprätentiösen Ort für die spontane Kommunikation ohne Tagesordnung wie damals in Bonn“. Selbst nachdem der Parlaments- und Regierungssitz im Herbst 1999 von Bonn nach Berlin verlegt wurde und das Verkaufsangebot aufgrund des Kundenrückgangs reduziert werden musste, blieb der Kiosk bestehen - bis in Bonn die Entscheidung fiel, an seinem Standort das World Conference Center zu bauen. Der denkmalgeschützte Pavillon wurde 2006 vom Kellergeschoss abgetrennt, auf einen Tieflader verladen und in einer Spedition eingelagert.

Neustart am UN-Campus

Rund 14 Jahre nach seinem Abtransport ist das außergewöhnliche Denkmal wieder ins Herz des ehemaligen Regierungsviertels zurückgekehrt. Unweit des historischen Standortes steht es nun. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat sich schon seit 2003 gemeinsam mit dem Eigentümer für den Erhalt des Büdchens stark gemacht und unterstützte seine Sanierung und den Rücktransport finanziell. Groß war die Freude als im August 2020 endlich die Wiedereröffnung gefeiert werden konnte. Vielleicht wird das Bundesbüdchen nun zum UN-Büdchen, denn viele der alten Bundesgebäude sind heute Sitz der Vereinten Nationen und der sogenannte UN-Campus sowie das Kongresszentrum ziehen viele Menschen ins ehemalige Regierungsviertel.

Unterkellerter Bau auf längsovalem Grundriss, 1957, Förderung 2003, 2013

Adresse:
Platz der Vereinten Nationen
53113 Bonn
Nordrhein-Westfalen

Das Bundesbüdchen erzählt seine Geschichte
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