Schwebefähre
Osten, Niedersachsen
Aussenansicht, Sommer, Sonne, Inbetriebnahme in 1909, überquert die Osten zwischen Osten und Hemmor, seit 1974 denkmalgeschütztes technisches Kulturdenkmal, der Fluß Oste und Fähre von der B 495 aus gesehen

Schwebefähre

Eine einmalige Flussquerung im Norden Niedersachsens

Was hat die 2000-Seelen-Gemeinde Osten im Kreis Cuxhaven mit dem spanischen Bilbao, dem englischen Newport und der Millionenmetropole Buenos Aires gemein? Sie gehört zu den weltweit acht Orten, an denen ein Fließgewässer mit Hilfe einer Schwebefähre überquert wird. Das Denkmal geht zurück auf den Beginn des 20. Jahrhunderts, errichtet als Ersatz für eine vorher eingesetzte Fähre. Für rund 70.000 Radfahrer, Wanderer und Technikinteressierte jährlich, ist die Überfahrt mit dem bereits von Weitem sichtbaren, froschgrün lackierten technischen Denkmal ein besonderes Erlebnis. Wie ein umgeknickter Eiffelturm legt sich die gewaltige, genietete Stahlfachwerkkonstruktion quer über die geruhsam dahin fließende Oste: Ein Stahlungetüm von über 20 Metern Höhe und 80 Metern Spannweite mit dem Vorteil, dass solche ausschließlich im Flachland errichteten Bauwerke gegenüber festen Brücken ohne kostenintensive Rampen eine vergleichsweise hohe Durchfahrtshöhe für Schiffe ermöglichten.

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Eine besonderes Denkmal der Ingenieurskunst

Die Überwindung der Oste an der historisch wichtigen Straßenverbindung von der Elbe ins Binnenland kann bis ins Mittelalter nachgewiesen werden. Der rege Schiffsverkehr, die von Ebbe und Flut beeinflussten hohen Wasserstände, Stürme und Eisgang führten jedoch zu häufigen Verzögerungen bei der Flussquerung. Die Gemeindeväter von Osten fassten deshalb schon Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Möglichkeiten ins Auge, die bereits an gleicher Stelle eingesetzte Fähre mit sehr flachem Rumpf, eine sogenannte Prahm, durch eine leistungsfähigere Alternative zur Flussquerung zu ersetzen. Eine traditionelle Fähre ließ sich aufgrund des starken Tidenhubs auf der Oste nicht gut einsetzen, eine Brücke hätte den regen Segelschiffsverkehr auf der Wasserstraße verhindert. Der in Betracht gezogene Bau einer Drehbrücke konnte aufgrund der zu hohen prognostizierten Baukosten ebenfalls nicht umgesetzt werden. Für ein wenig mehr als die Hälfte der Brückenkosten beauftragte die Gemeinde Osten schließlich 1905 die Firma MAN mit der Ausführung einer stählernen Schwebefähre, dessen Bau 1908 begonnen wurde und die bereits im August 1909 in Betrieb gehen konnte. Die Tragkonstruktion der eigentlichen Fähre, hier als Gondel bezeichnet, wird mittels eines Elektroantriebs bewegt, der bereits 1920 von Gleichstrom auf Drehstrom umgestellt wurde.

Technischer Fortschritt als Aus für ein technisches Denkmal

1939 wurde durch Verstärkung des Fachwerks die Tragfähigkeit von 12t auf 14t und 1966 um weitere 4t auf 18t erhöht. Doch bereits kurze Zeit später wurde die Schwebefähre nicht mehr benötigt. Längst hatten flache Dieselmotorkähne die hochmastigen Transportsegler von einst ersetzt, während der Autoverkehr auf den Straßen anschwoll. Die geringe Kapazität der Schwebefähre führte zu Rückstau an beiden Ufern und nach einem Brückenneubau über die Oste wurde der Betrieb 1974 eingestellt. Ein Förderverein betrieb die Fähre glücklicherweise als Touristenattraktion weiter, bis der TÜV den Betrieb 2001 untersagte. Die Tragwerkskonstruktion war vom Rost angefressen und die Antriebstechnik schadhaft. Die Ostener setzten alle Hebel in Bewegung, um ihr Technikdenkmal zu retten. Auch mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnten umfassende Sanierungsarbeiten am Tragwerk durchgeführt werden, so dass die Fähre 2006 wieder in Betrieb gehen konnte. Weiterhin unterstützte die Stiftung 2017 die Sanierung der Fundamentpfeiler und 2021 die Erneuerung des Korrosionsschutzes.

Stahlfachwerkkonstruktion mit Gondel, 1909, Förderung 2005-06, 2017, 2021

Adresse:
Deichstraße
21756 Osten
Niedersachsen