Hofgestüt Bleesern
Lutherstadt Wittenberg, Sachsen-Anhalt
alle Bilder: © Förderverein Hofgestüt Bleesern e. V.

Hofgestüt Bleesern

Europas ältestes Gestüt

Wer heute im Hofgestüt Bleesern die Pracht vergangener Zeiten erkennen will, braucht viel Fantasie. Auf den ersten Blick wirkt die Anlage wie eine Ruine. Doch es sind die Details, die Fachleuten den Atem verschlagen und deutlich machen, um welchen wichtigen Geschichtsort es sich hier handelt. Die Rundbogenportale mit darüberliegendem ovalem Ochsenaugenfenster – eindeutig Frühbarock! Damit ist Bleesern das früheste Zeugnis des höfischen Dresdner Barocks. Und nicht nur das: Es gilt zudem als die älteste erhaltene Gestütsanlage Europas. Spätestens ab Mitte des 15. Jahrhunderts existiert in Bleesern ein Gestüt, für 1444 existiert ein archivalischer Nachweis einer Pferdezucht – der älteste datierbare Nachweis eines Gestüts in Europa. Die erhaltenen Bauten aus dem 17. Jahrhundert formten eine barocke Anlage, die so prächtig und so wichtig war, dass Sachsens Kurfürst August der Starke (1670-1733) häufig in Bleesern weilte. Verbürgt ist, dass er einmal sogar den Weihnachtsabend auf dem Gestüt verbrachte. 500 bis 600 Pferde belebten die schlossähnliche Anlage zu dieser Blütezeit. Die ist inzwischen lange vergangen: Zwei Abrissanträge wurden bereits gestellt und zum Glück abgelehnt. Inzwischen ist klar, dass dieses wichtige Zeitdokument erhalten werden muss.

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Schauplatz der Geschichte

Hier – südwestlich der Lutherstadt Wittenberg – wurden bis in die 1720er Jahre Statussymbole gezüchtet. Pferde waren lange Jahrhunderte hindurch ein Fundament des herrscherlichen Selbstverständnisses. Das Pferd wurde als „Beweglicher Thron“ gesehen und war, gerade in barocken Zeiten, wichtiger Teil der Herrscherinszenierung und der Staatsführung. Darüber hinaus wurden Pferde für die Reisen der Herrscher durch ihre Territorien, für Jagden, Turniere und für die Zeremonien der Königskrönungen und Reichtage benötigt. Kein Wunder also, dass schon Kaiser Karl V. (1500-1558) Bleesern zum Ort einer Machtdemonstration bestimmte. Im Schmalkaldischen Krieg (1546/47) hatten der katholische Kaiser und seine Truppen dem protestantischen Fürstenbund eine empfindliche Niederlage beigebracht. Der Kaiser befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, als er dem unterlegenen Kurfürsten Johann Friedrich (1503-1554) die sächsische Kurwürde abnahm und sie in Bleesern dessen Vetter, dem Albertiner Herzog Moritz von Sachsen (1521-53), zusprach. Die Bauten aus dieser Zeit stehen heute jedoch nicht mehr.

Spektakulärer Frühbarock

Nach den flächendeckenden Zerstörungen des Dreißigjährigen Kriegs (1618-48) brachte Baumeister Wolf Caspar von Klengel die damals spektakuläre Sprache des Frühbarocks in das Kurfürstentum Sachsen. Er baute zwischen 1675 und 1686 das Hofgestüt Bleesern, das zum Vorbild für weitere kurfürstliche Gestüte wurde, neu auf. Die bestehende frühbarocke Anlage ist das älteste datierte Beispiel für den Bautyp des "Zahmen Gestüts" in Europa, als veränderte Zuchtmethoden im 17. Jahrhundert die Errichtung großer, fester Ställe erforderten. Die Pferde wurden nun ganzjährig im Stall gehalten - statt den Sommer im Freien zu verbringen - und benötigten dort dementsprechend mehr Platz. Die landesherrliche Pferdezucht wurde im Barockzeitalter zu einer höfischen Repräsentationsaufgabe. Baumeister Klengel plante eine akkurat symmetrisch angelegte Vierseitanlage. Rundbogen-Tore, bekrönt von markanten Schlusssteinen, lassen heute noch die barocke Architektur erahnen.

Ein weiter Weg zur Rettung

Von der Vierseitanlage sind heute allerdings nur noch drei Flügel in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden. Den Massivbauten aus Ziegel- und Bruchsteinmauerwerk mit Walmdächern sieht man ihre Leidensgeschichte an. Leerstand, Vernachlässigung und mutwillige Zerstörung machten aus dieser einzigartigen Anlage ein echtes Denkmal in Not! Dennoch ist erklärtes Ziel, nach Jahrhunderten wieder Pferde in die ehrwürdigen Gemäuer zu bringen. Ein weiter Weg, doch gemeinsam ist er zu schaffen. Seit 2020 unterstützt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Instandsetzung der ältesten erhaltenen Gestütsanlage Europas.

Gestüt vor 1448 gegründet, ab 1460 halbwilde Zucht mit eigenen Brandzeichen, um 1500 Gestüt des sächsischen Kurfürsten, Neuaufbau 1570/80, 1675-86 Wiederaufbau, Förderung 2020-23

Adresse:
Am Anger 11
06888 Lutherstadt Wittenberg
Sachsen-Anhalt