Der Boden bebt und zittert, als gleich zwei Bagger am 19. und 20.7.2023 ihre Stemmhammer und Schaufeln immer wieder auf eine der schönsten Brücken Deutschlands niedergehen lassen – 300 Jahre Geschichte landeten Stück für Stück im Wasser der Ahr.
Die Nepomukbrücke ist das Symbol für die Verluste, die die Kulturlandschaft des Ahrtals auch zwei Jahre nach der verheerenden Jahrhundertflut 2021 noch erleidet. Dabei hätte sie in diesem Jahr ihren 300. Geburtstag gefeiert. Doch dazu kam es nicht mehr.
Wie viele Experten meinen: Unnötigerweise, denn ihr Erhalt wäre auch unter Hochwasserschutz-Gesichtspunkten möglich gewesen. Ein trauriger Verlust, der dafür steht, was im Umgang mit dem Hochwasser im Argen liegt.
Brücken sind gleich in mehrfacher Hinsicht ganz besondere Bauwerke: Sie verbinden nicht nur eine Uferseite mit der anderen und sind wichtige Verkehrswege, sie verbinden auch Menschen und Zeiten miteinander. Sie sind daher häufig die Orts-Wahrzeichen schlechthin – man denke nur an die Brücke von Avignon, die Krämerbrücke in Erfurt, die Karlsbrücke in Prag oder die steinerne Brücke in Regensburg.
Die Nepomukbrücke in Rech galt als eine der schönsten Brücken Deutschlands. Ihr 300. Lebensjahr sollte ihr Todesjahr sein – denn ihr gab man eine Mitschuld an der Hochwasserentwicklung in Rech in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021, auch wenn das inzwischen gut dokumentierte reale Flutgeschehen dieser Behauptung widerspricht. Vorschläge von Experten, wie man sie hätte erhalten können und gleichzeitig die Gefahren für Leib und Leben reduziert, wurden ignoriert.
Die Brücke überdauerte in ihrer Geschichte mehrere „Jahrhunderthochwasser“ und den Zweiten Weltkrieg. Sie war ein touristisches Kultur-Highlight weit über den Ort Rech hinaus. Wie wichtig der Bruchsteinbau als kulturelle „Visitenkarte“ der Region und des Ortes wirkte, zeigen die vielen tausend Menschen, die sich im ganzen Bundesgebiet für ihren Erhalt einsetzten.
Zahlreiche Bürgerbewegungen haben sich gebildet, die für den Erhalt der Brücke kämpften seit das Abrissvorhaben bekannt wurde: So haben Anwohner zwei Petitionen ins Leben gerufen, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat Fachgutachten zu ihrer Erhaltungsmöglichkeit erstellen lassen, mehrfach an die Verantwortlichen appelliert, Gespräche angeboten und Aufklärungsarbeit geleistet sowie einen Online-Eil-Appell gestartet, an dem sich über 5.400 (!) Menschen beteiligten. Der Deutsche Verband für Kunstgeschichte hatte die Nepomukbrücke in seine Rote Liste bedrohter Denkmale Deutschlands aufgenommen.
All diesen Bewegungen und Erkenntnissen zum Trotz ist die Brücke nun abgerissen worden. Jede Einladung zum Gespräch unsererseits wurde ignoriert, ebenso wie Schreiben oder Eingaben von anderen Erhaltungsbefürwortern. Mit dem Schlagwort „Menschenleben vor Denkmalschutz“ – was mehrere Gutachten als unzutreffend entlarvten – wurden Tatsachen geschaffen, die eine schmerzliche Wunde in die ohnehin stark gebeutelte Kulturregion Ahrtal schlagen.
Das Ahrtal ist durch die Flut schwer gezeichnet. Die Region galt vor der Flut als eine der brückenreichsten Gebiete Deutschlands. Die bauliche Vielfalt der Brücken machte jede von ihnen zu einer Entdeckung und einem besonderen Schatz. Pittoreske Fachwerkhäuser in den Ahrdörfern waren ein Grund für viele Wanderer und Touristen, die Region zu besuchen und zu genießen. Das Hochwasser vernichtete oder schädigte viele historische Bauten – viele wurden nach der Katastrophe vorschnell und ohne gründliche Prüfung abgebrochen. All dies hat das Gesicht der Region verändert – mit unabsehbaren Folgen für das Heimatgefühl der Bewohner und die Attraktivität für Touristen.
Die bauliche Zukunft der Region wird wohl sehr viel „eintöniger“ und austauschbarer. Ob das im März vorgestellte Gestaltungshandbuch für neue Brücken über die Ahr die Kraft hat, identitätsstiftende und qualitätvolle Brückenbauten hervorzubringen – das bleibt fraglich.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz setzt sich seit der Katastrophe kontinuierlich, beständig und verlässlich in der Fluthilfe im Ahrtal ein. Wir sind seit fast zwei Jahren dauerhaft u. a. mit unseren Jugendbauhütten vor Ort, packen mit an, beraten und unterstützen Flutopfer finanziell – jüngst auch mit einem 14-tägigen Fluthilfecamp mit über 300 Freiwilligen. Darüber hinaus mahnen wir seit der Katastrophe immer wieder ein übergeordnetes Hochwasserschutzkonzept an, da punktuelle Maßnahmen nicht die Lösung für künftig häufiger zu erwartende Naturkatastrophen sein können. Wir helfen schnell und unbürokratisch bei der Bewahrung der historischen Baukultur des Ahrtales und unterstützen die betroffenen Denkmaleigentümer. Damit setzen wir einen starkes Zeichen für die Zukunft des Ahrtals!
Die Trauer um die Nepomukbrücke bleibt.
„Der Abriss der Nepomukbrücke in Rech fast genau 2 Jahre nach der Jahrhundertflut ist aus unserer Sicht eines der prominentesten Beispiele für die unnötigen Verluste, die das Ahrtal lange nach der Katastrophe immer noch erleidet. Wir bedauern außerordentlich, dass eine Auseinandersetzung mit alternativen Möglichkeiten des Hochwasserschutzes und des Brückenerhaltes auf allen politischen Ebenen nicht weiter diskutiert wurden. Der Mythos des zwingenden Abrisses der Brücke basiert maßgeblich auf einer gutachterlichen Grundlage, zu der es jedoch auch anderslautende gutachterliche Einschätzungen gibt. Diese wurden nicht weiter aufgenommen oder das erste Gutachten anderweitig objektiviert. Der Beschluss zum Abriss der Brücke stammt aus dem Dezember 2021; einem Zeitpunkt also, zu dem noch gar keine fundierte gutachterliche Grundlage existierte. Auch ist es der Bedeutung der Nepomukbrücke unangemessen, dass die seitens der Verantwortlichen in Auftrag gegeben Gutachten die Fragestellung „Wie kann die Brücke erhalten werden“ außer Acht gelassen wurde. Es ging aus unserer Sicht stets nur um die Legitimation des bereits beschlossenen Abrisses.
Auch die Art und Weise des nun laufenden Abrisses ist aus unserer Sicht deutlich zu kritisieren. Der Abbruch entspricht keinesfalls – wie postuliert wurde – einem „schonenden Rückbau“ und wird unseres Wissens nicht von Fachleuten wie Denkmalpflegern, Archäologen oder Bauforschern begleitet. Aus denkmalpflegerischer Sicht wäre hier eine stufen- und schichtweise Abtragung und Untersuchung sowie umfangreiche Dokumentation angezeigt gewesen. Alle historischen Informationen, die die Brücke – außerhalb der sichtbaren Bereiche – in sich trägt, gehen so verloren. Auch der weitere Umgang mit dem historischen Baumaterial ist unseres Wissens bislang ungeklärt.
Wie sehr die Brücke die Menschen im und weit über das Ahrtal hinaus bewegt – auch dies wurde unserem Empfinden nach ignoriert. Ein wirklich trauriges Signal – und das im Jahr des 300sten Geburtstages der Nepomukbrücke, die als eine der schönsten Brücken Deutschlands gegolten hat. Die tiefe Sorge bleibt, dass durch das Fehlen sinnvoller und stringenter übergeordneter Hochwasserschutzmaßnahmen sowie dysfunktionaler Maßnahmen nach der Flut (wie Aufschüttungen, Flussbettverengungen und Bodenverdichtungen) – trotz des Abrisses der Brücke – das Risiko gravierenden Hochwasserbedrohung für die Menschen vor Ort nach wie vor besteht.“
Dr. Steffen Skudelny