Ev. Christuskirche
Schliersee, Bayern
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Ev. Christuskirche

Kleinod der Nachkriegsmoderne

Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten in Deutschland nicht nur viele Kirchen wiederaufgebaut werden, viele sind auch neu entstanden. Denn in den 1950er Jahren war der Bedarf an Seelsorge groß, die Zahl der Gottesdienstbesucher entsprechend angestiegen. In dieser Zeit entstand ein weithin unbekanntes Meisterwerk der Nachkriegsmoderne: die Christuskirche Schliersee. Sie wurde 1950 im Rahmen eines Wettbewerbs vom Münchener Architekten Olaf Andreas Gulbransson (1916-61) entworfen. 1954 wurde das Kleinod des damals erst 37-jährigen Müncheners realisiert.

Gulbransson hat mit der Christuskirche einen typisch protestantischen Bau geschaffen, mit dem die gut 500 Jahre alten Ideen Martin Luthers (1483-1546) in die Moderne transportiert wurden. Für Luther war eine Kirche vor allem ein Versammlungsraum - ein Zweckbau, denn nach protestantischer Auffassung entsteht Kirche da, wo sich Menschen im Namen Gottes versammeln. Genau dieser Gedanke leitete auch Gulbransson: Seine Kirche sollte Schale und Gehäuse für den Gottesdienst sein. Sie sollte durch die passende Anordnung von Altar und Kanzel der Gemeinde ein optimales Gottesdiensterlebnis ermöglichen und Abendmahl und Predigt das ihnen angemessene Gewicht verleihen. Gebet, Gesang und Orgelspiel sollten das rechte Gehör bekommen. Mit seinem ersten Kirchenbau setzte Gulbransson dies beispielhaft und überzeugend um: Ein Zentralbau, der in seiner äußeren und inneren Gestaltung ein Stück Verkündigung ist.

Ein Zelt für Gläubige - ein Zelt für das Wüstenvolk!

Für die Außenhülle wählte der Baumeister die Form eines Zeltes über achteckigem Grundriss. Sie soll die Christen daran erinnern, dass sie wie Abrahams Wüstenvolk auf dem Weg in eine neue Welt Gottes sind, die es stets zu erreichen gilt, die aber noch nicht erreicht ist. Da die Kirche mitten in Bayern steht, war für Gulbransson klar, dass an ihr auch ein Zwiebelturm nicht fehlen darf.

Im Inneren fällt nur von vorne und oben Licht ein - genau auf den Altar, den Taufstein und die Kanzel. So setzt die Moderne die protestantischen Prinzipalstücke in Szene, die wichtigsten und edelsten Ausstattungsteile der evangelischen Liturgie. Dekoration und Schmuck braucht diese spannungsvolle, asymmetrische Raumschale nicht.

Winter forderte Tribut

Die Christuskirche war Auftakt für eine ganze Reihe von Kirchenbauten, die nach den Plänen Gulbranssons entstanden. Viel zu früh verstarb der Architekt bei einem Autounfall. Doch sein schöpferisches Werk hat seine Qualität bis heute bewahrt. Auch wenn die Christuskirche nach dem schneereichen Winter 2006 vorübergehend geschlossen werden musste - die Tragwerkskonstruktion des Kirchendachs war so geschädigt, dass Besucher in Gefahr gewesen wären. 2010 beteiligte sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz finanziell an der Gesamtsanierung des Dachs und der Glockenaufhängung. Heute wird die Christuskirche v. a. im Sommer viel genutzt, ist bei Touristen und bei Hochzeitpaaren für Trauungen sehr beliebt.

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Zentralbau über unregelmäßigem Achteck mit zeltförmiger Dachkonstruktion, 1950-54 von Olaf Andreas Gulbransson, Förderung 2010

Adresse:
Leitnerstraße
83727 Schliersee
Bayern