Haus Esters u. Haus Lange
Krefeld, Nordrhein-Westfalen

Haus Esters u. Haus Lange

Ein Denkmal der Moderne

„Weniger ist mehr“ - so lautete das Credo des weltberühmten deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969). Durch seine Baukunst, die minimalistische Bauweisen und klassische Formen mit räumlicher Weite kombiniert, gilt er als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne. Möglich wurde seine Art des Bauens mit ausladend offenen Raumkonzepten durch von ihm selbst entwickelte Tragstrukturen aus Stahl. Dieses Konzept übte bereits auf zeitgenössische Architekten einen großen Einfluss aus, und noch heute gehen viele Baukonzepte auf van der Rohe zurück. Die Villa Tugendhat in Brünn, die neue Nationalgalerie in Berlin und das Seagram Building in New York gelten heute neben der Weißenhofsiedlung in Stuttgart als Ikonen der modernen Architektur. Auch am Niederrhein finden sich zwei bedeutende Bauten van der Rohes - die Häuser Lange und Esters in Krefeld.

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Moderne Fabrikantenvillen

Hermann Lange wie auch Dr. Josef Esters waren Direktoren der Verseidag, eines Zusammenschlusses mehrerer Krefelder Textilunternehmen. Hermann Lange war zudem Mitglied im Deutschen Werkbund und unterstützte die Bemühungen des damaligen Museumsdirektors Friedrich Deneken (1857-1927), Kunst, Handwerk und Wirtschaft zusammenzubringen. Wohl über den Berliner Galeristen Carl Nierendorf lernten sich Hermann Lange und Ludwig Mies van der Rohe 1927 kennen. Erste Entwürfe für den Bau zweier Villen legte van der Rohe den Bauherren Lange und Esters noch im selben Jahr vor. In diesem hatte er die beiden Häuser weitaus radikaler, in ihrem Grundriss offener konzipiert, als sie dann schließlich realisiert wurden. Entsprechend den Wünschen seiner Auftraggeber wurden sowohl Haus Lange als auch Haus Esters mit zum Teil geschlossenen Räumen versehen.

Trotz der Änderungen ist der Bauhaus-Stil der Villen, die 1928 begonnen und 1930 fertig gestellt wurden, klar erkennbar. Die zweigeschossigen, aus rotem Backstein erbauten Häuser bestehen aus einzelnen kubischen Bauelementen, die aussehen, als seien sie wie Schachteln zusammengesteckt. Die Mauern wurden dabei massiv konstruiert, zahlreiche Stahlträgern ermöglichten den weitgehenden Verzicht tragende Wände und den Einbau großer Fensterfronten.

Über den Baukörper hinaus prägte Mies van der Rohe gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin, der Innenarchitektin und Designerin Lilly Reich, auch die Innengestaltung der Häuser. Böden, Fensterleibungen und Heizkörperverkleidungen aus Nussbaum und Eiche sind noch im Original erhalten. Vitrinen und Anrichten (heute verblendet) wurden vollständig oder zu zwei Dritteln in die Wand eingelassen. Eine flexible Holzwand ermöglichte in Haus Lange die Trennung zwischen Halle und Essbereich. Die Detailplanung reichte bis zu den Deckenlampen, den Türgriffen und Schrankknöpfen. Umlaufende Bilderleisten an den Wänden deuten noch heute an, dass die damaligen Eigentümer Lange und Esters selbst Sammler zeitgenössischer Kunst waren und die Räume mit Gemälden ausstatteten.

Verschmelzung von Haus, Garten und Kunst

Heute beherbergen die zwei Villen immer noch Kunst. Die Familie Lange stellte der Stadt Krefeld 1955 das Haus für Kunstausstellungen zur Verfügung. Einige Jahre später schenkten sie der Stadt das Haus. Auch Haus Esters öffnete seine Pforten 1981 für die Kunst.

Zu den beiden Villen Esters und Lange gehören auch zwei weitläufige Gärten. Für Haus Esters ist bekannt, dass Mies van der Rohe einen bestehenden Hausgarten im Stil der Villengärten der 1920er Jahre umgestalten ließ. Unterhalb der geometrisch gegliederten Terrasse bestimmen große Rasenflächen und der alte Baumbestand den naturhaften Eindruck der parkartig angelegten Gärten. Die Beziehung zwischen Haus und Garten wird durch die großen herabfahrbaren Fenster besonders eindrucksvoll inszeniert. Bereits zwischen 1998 und 2000 wurden die Villen grundlegend saniert. Doch die Vollendung stand noch aus: Die Hebefenster von Haus Lange, seit Jahrzehnten außer Funktion, sollten sich wieder bedienen lassen. Nach der Umstellung auf Wechselstrom konnten die noch mit Quecksilberschaltern ausgestatteten Gleichstrommotoren nicht mehr eingesetzt werden. Einzelne Teile waren verloren oder beschädigt.

Die Krefelder Baudenkmal-Stiftung, eine Treuhandstiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, beteiligte sich an der Instandsetzung der Mechanik. Dabei hat man die alte Technik von 1928 bewahrt, aber auf einen neuen und vor allem sicheren Stand gebracht. Auch die großen Scheiben mussten im Zuge der Maßnahme erneuert werden. 2011 wurden die Hebefenster wieder in Betrieb genommen. Zweimal im Jahr - anlässlich der Veranstaltungsreihe "Mehr Mies" - kündigt ein leises Surren den Effekt an, der dem Architekten am Herzen lag: die Verschmelzung von Innen- und Außenraum.

Villenpaar im Stil der Neuen Sachlichkeit, 1928-30 nach Plänen von Ludwig Mies van der Rohe, Förderung 2009/10

Adresse:
Wilhelmshofallee
47800 Krefeld
Nordrhein-Westfalen