Rathaus-Glockenspiel
München, Bayern
Foto: Memorino, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Rathaus-Glockenspiel

Ein Wahrzeichen der bayerischen Landeshauptstadt

Es war das i-Tüpfelchen eines ehrgeizigen Bauprojektes, das zwei Dutzend Altmünchner Häuser verdrängte: In drei Bauphasen hatte Georg Hauberrisser von 1867 bis 1909 das Neue Rathaus errichtet. Der neugotische Komplex umschließt mehrere Innenhöfe mit reicher architektonisch-plastischer Ausstattung. Besonders akzentuiert wird das Münchner Rathaus durch seinen 85 Meter hohen Turm an der Westseite des Gebäudes, zum Marienplatz hin. Vorbild hierfür war der spätgotische Belfried in Brüssel, der von 1449 bis 1455 errichtet wurde. Belfriede, ursprünglich ein flämisches Kulturphänomen, finden sich vielfach an den dortigen Rathäusern und wurden als Glockentürme genutzt. Und genau dies verhalf dem Rathausturm trotz seiner unbayerisch-neugotischen Fassade wohl auch dazu, ein Wahrzeichen Münchens zu werden - durch den am hier angebrachten Spielerker des Glockenspiels.

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Eine technische Rarität am Marienplatz

Seit 1909 ist dieses technische Meisterwerk in Betrieb. Mit seiner gesamten Anlage galt es damals als das größte und erste elektromechanisch betriebene Glockenspiel Europas. Das eigentliche Spielwerk befindet sich unter dem Turmhelm, ist individuell spielbar und kann 24 Musikstücke darbieten. Vom Walzentisch im achten Stock des Rathauses wird ein elektrischer Impuls zum Spieltisch im zehnten Stock weitergeleitet. Von dort werden die Drahtzüge, die mit den Glockenklöppeln verbunden sind, angezogen. Für die unterschiedlichen Melodien stehen sechs Spielwalzen mit je vier Liedern zur Verfügung.

Der Spielerker ist der Blickfang am majestätischen Rathausturm. Auf zwei Etagen stellen die bemalten Figuren aus Kupferblech Szenen aus der Stadtgeschichte dar. Der obere Teil erinnert an das Turnier, das anlässlich der Vermählung des späteren Herzogs Wilhelm V. von Bayern mit Renata von Lothringen im Februar 1568 auf dem Marienplatz abgehalten wurde. Die Feierlichkeiten dauerten über zwei Wochen und umfassten vielfältige Vergnügungen von Schlittenfahrt und Feuerwerk bis hin zu Theateraufführungen. Wilhelm V., der Fromme (1579-97), war der erste große Bauherr unter den Wittelsbachern: Während seiner Herrschaft blühte München zum Zentrum des Manierismus auf. Einem volkstümlichen Ereignis ist die untere Ebene gewidmet: Hier führen die Figuren den berühmten Schäfflertanz auf. Der traditionelle Tanz mit den grünbelaubten Reifen wurde von der Münchner Fassmacher-Zunft geprägt und ist seit 1702 urkundlich belegt. Alle sieben Jahre wird dieser alte Brauch zur Faschingszeit öffentlich wiederbelebt.

Großes Repertoire für Münchner und Besucher

Das beliebte Glocken- und Figurenspiel dauert etwa zwölf Minuten. Erst treten die Ritter in Aktion, dann tanzen die Schäffler, bis der Hahn das Spektakel durch dreimaliges Krähen beendet. Die Klänge werden von 43 zum Teil tonnenschweren Glocken erzeugt, die am Glockenstuhl unter dem Turmhelm aufgehängt sind. Dank sechs verschiedener Spielwalzen, die jeden Monat gewechselt werden, umfasst das Repertoire Melodien von "Aber heit is kalt", dem Traditionslied der Münchner Schäffler, im Januar über Loreley und Bierwalzer bis "O Tannenbaum" im Dezember. Täglich um 21 Uhr ertönt der Nachtwächterruf aus Richard Wagners "Meistersinger von Nürnberg", und das "Wiegenlied" von Johannes Brahms entlässt das Münchner Kindl in den Schlaf.

Eine aufwendige Restaurierung des Glockenspiels wurde 2007 durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt. Es waren starke Verunreinigung der Glocken innen und außen festzustellen, teilweise auch Korrosion der Klöppelaufhängungen. Die Glockenspielmechanik war teilweise defekt, Züge im Turmbereich, Federn und sonstiges Zubehör waren größtenteils ausgeschlagen. Die Umlenkungen mußten neu gelagert und montiert werden, die Schutzhauben der Zugseile wurden erneuert. Die Glockenklöppel mit den Anschlagstellen und Führungen wurden überarbeitet und instand gesetzt. Einheimische und Touristen können sich wieder am bewährten Klang des Glockenspiels erfreuen, das noch immer eines der größten im Lande ist. Dass es auch das schönste ist, würden wohl nicht nur die Münchner bestätigen.

Neugotischer Back- und Muschelkalksteinbau mit Glockenspiel, 1867-1909 von Georg von Hauberrisser, Förderung 2007

Adresse:
Marienplatz
80331 München
Bayern