Der einfache Soldat des königlich-preußischen 31. Infanterie-Regiments Graf Bose würde sich heute die Augen reiben: Dort, wo die Befehle seiner Vorgesetzten durch die Flure hallten und er nach preußischer Manier seine Stiefel und Gewehre polierte, sind ganz andere Sitten und Gebräuche eingezogen: Eine Dame designt in ihrem Atelier futuristische Mode, daneben dringen iranische und elektronische Laute aus dem Raum eines Musikers. Ein frisch gepolsterter Stuhl mit einem bunten Stoffbezug wird über den Gang getragen, wo eine Gruppe von Menschen darauf wartet, in den Seminarraum eingelassen zu werden. Nach einer langen Zeit der Vernachlässigung herrscht Aufbruchsstimmung in dem wilhelminischen Militärbau.
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Ein Platz für Kämpfer
Die auf den ersten Blick friedliche Atmosphäre täuscht: Die Viktoria-Kaserne in Hamburg-Altona ist immer noch ein Platz für Kämpfer. Doch ziehen keine Infanterie-Soldaten mehr von hier in den Krieg. Die Bürger von heute stehen Seite an Seite für ihren Lebensraum in der Innenstadt ein. Wie in vielen anderen Städten werden in Hamburg immer mehr Stadtteile in Luxusquartiere umgewandelt. Für einfache Bürger, Familien, Künstler und das Nischenhandwerk bleibt so fast kein Platz mehr.
Die Viktoria-Kaserne ist ein Hoffnungsanker im Kampf gegen die sogenannte Gentrifizierung. Das 2011 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude bietet rund 200 Menschen Platz zum Leben und Arbeiten. Ob der Veranstaltungstechniker, der hier seine Bühnenaufbauten lagert, der Instrumentenbauer, dessen Handwerk von den Preisen aus China bedroht wird oder der Baumpfleger, der für seine Verwaltung ein bezahlbares Büro braucht - sie alle hätten ohne den festungsartigen Bau kaum eine Chance, einen erschwinglichen Arbeitsraum in der Innenstadt Hamburgs zu finden.
Eine Kaserne nach Wilhelms Geschmack
Die Viktoria-Kaserne wurde von 1878-83 errichtet. Ursprünglich bestand sie aus drei Blöcken, einem Offizierskasino, einer Reit- und Exerzierhalle, Garagen sowie der Garnison-Wasch- und Arrestanstalt, die rechteckig um einen Exerzierplatz angelegt waren. 1977 wurde ein Großteil davon abgerissen. Nur der Backsteinbau des Blocks 3 mit den beiden markanten Zinnentürmen ist mit einigen Nebengebäuden erhalten geblieben. Noch immer imposant hebt sich dieser typische Vertreter des preußischen Kasernenstils der Wilhelminischen Epoche von den ihn umgebenden Wohnbauten ab. Nachdem die Kaserne nach dem Ersten Weltkrieg als Soldatenunterkunft ausgedient hatte, wechselte ihre Nutzung: Polizei, Zoll und die Universität zogen in Block 3 ein.
Ein kreatives Zentrum mit originaler Substanz
Lange wurde das Gebäude massiv vernachlässigt. Schaut man durch die Fenster, steht man einem großen historischen Wert gegenüber. Die Ausstattungsstücke sind über 100 Jahre alt und stammen noch aus der Erbauungszeit der Kaserne. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte 2017 die Fenstersanierung.
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Historistischer Ziegelbau, 1878-83, Rest einer 1977 abgerissenen Anlage, Förderung 2017
Adresse:
Zeiseweg
22765 Hamburg
Hamburg
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