Beatae Mariae Virginis Hauptkirche

Im Andenken an eine Marienkapelle des 14. Jahrhunderts führt die Wolfenbütteler Marienkirche ihren außergewöhnlichen Namen Beatae Mariae Virginis. Der Architekt Paul Francke entwarf das protestantische Gotteshaus im Auftrag von Heinrich-Julius d. J., dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg. Zwischen 1608 und 1628 erbaut, musste diese Hauptkirche vieles vereinen: Sie war als protestantische Predigtkirche zugleich Grablege der Herzöge zu Braunschweig und optische Dominante der aufstrebenden frühabsolutistischen Residenz Wolfenbüttel. Auch stilistisch fällt das Gebäude durch eine ungewöhnliche Verbindung von Stilelementen aus Gotik und Renaissance aus dem Rahmen. Der schlichte Baukubus mit seinen breit gelagerten drei Schiffen steht scheinbar im Widerspruch zu der erstaunlichen, überbordenden Ornamentik an Fassade und Innenausstattung. Mit mehr als achthundert figurenbesetzten Quadern an den Turmkanten, am Chor sowie im Kircheninnern schuf Francke nach dem Geschmack der Zeit im manieristischen Stil eine Predigt der Steine. Der Baumeister interpretierte die Lehren Luthers nicht bilderfeindlich, sondern er unterstrich das Wort Gottes durch die Darstellung der göttlichen Geschöpfe und der Gestalten der sündigen Welt. Francke tradierte die Idee der gotischen Kathedrale als Abbild des Kosmos und Kampfplatz des Guten mit dem Bösen und verschmolz mittelalterliches Gedankengut mit dem der Reformation. Die Marienkirche mit ihrer Darstellung einer Welt aus phantastischen Mischwesen und der Hoffnung auf Erlösung ist ein Denkmal für eine ganz eigentümliche protestantische Kultsymbolik, in der sich eine sinnliche und lebensfrohe Auffassung lutherischer Ideen widerspiegelt.