Ehemalige Heeresversuchsanstalt
Peenemünde, Mecklenburg-Vorpommern

Ehemalige Heeresversuchsanstalt

Unbequem und historisch bedeutsam

Hier fand gleichzeitig bahnbrechende Technik- und grauenhafte Kriegsgeschichte statt: Die ehemalige Heeresversuchsanstalt in Peenemünde ist ein Ort, der schwierig zu handhaben ist, aber dennoch ein wichtiges Zeugnis deutscher Geschichte. Heute informiert ein Museum umfassend über diesen besonderen Ort. Als letztes vollständiges Gebäude der Versuchsanstalten hat sich der riesige Kraftwerksbau erhalten.

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Der Traum vom Mond

Die Mitarbeiter des Historisch-Technischen Museums in Peenemünde wissen, wie schwierig der angemessene Umgang mit Vergangenheit sein kann. Am 3. Oktober 1992 scheiterte der Versuch des Bundes, zum Festakt "50 Jahre Raumfahrt. Erbe - Verpflichtung - Perspektive" nach Peenemünde auf Usedom einzuladen. Anlass war der fünfzigste Jahrestag des ersten Starts einer Rakete des Typs A 4 (Aggregat 4) an diesem Ort. "Die Geburtsstunde der Raumfahrt", eine "wissenschaftliche und technische Pionierleistung, (...) die den Menschen in das All und auf den Mond brachte", sollte gefeiert werden. Der "anfänglich tragische(n) Nutzung der neuen Technik im Zweiten Weltkrieg" gedachte man nur in einem Nebensatz. Das löste in Europa so große Empörung aus, dass es zu diplomatischen Verstimmungen zwischen London und Bonn kam. Der Festakt wurde in letzter Minute abgesagt.

Dabei hatte alles scheinbar unschuldig angefangen: In den 1920er-Jahren befindet sich die ganze Nation im Raketenfieber. Fritz Lang dreht die "Frau im Mond". Romane, Filme, Zeitschriften, Vereine und Vorträge ziehen die Massen an. Man träumte vom Menschen im All. Gefördert wird die Raketenaufregung im Geheimen allerdings schon zu diesem Zeitpunkt von der Reichswehr, die sich viel von der Fernrakete als zukünftiger Waffe verspricht. Die Weltraumbegeisterung verliert ihre Naivität endgültig, als die Nationalsozialisten auf der Nordspitze von Usedom das Fischerdorf Peenemünde dem Erdboden gleichmachen und ab 1936 an seiner Stelle das Raketenentwicklungszentrum einrichten. Nun steht nicht mehr Weltraumforschung, sondern ausschließlich die Waffenentwicklung auf dem Programm.

Von der V2 zur Mondlandung

Den hochqualifizierten Ingenieuren, allen voran Wernher von Braun erscheint Peenemünde fast wie ein Paradies. Ein riesiges Gebiet kann ungestört genutzt werden - das neue Peenemünde, in dem 15.000 Menschen leben, ist eine "geheime Stadt". Einzig der Erfolgsdruck lastet auf den Gemütern, einige Fehlstarts des A 4 gehen dem ersten gelungenen Raketenstart am 3. Oktober 1942 voraus. Mit dem für das deutsche Militär zunehmend ungünstigen Kriegsverlauf setzen Hitler und Speer ihre ganze Hoffnung auf die "Wunderwaffe". Bis zum 20. Februar 1945 werden von Peenemünde Hunderte Raketen vom Typ A 4/V 2 abgeschossen. Kurz danach verlassen die führenden Köpfe wie von Braun den Ort, um später in den USA ihre glänzende Karriere als Raumfahrtingenieure bis zur Mondlandung 1969 fortzuführen.

Heute, siebzig Jahre später, nach sowjetischer Besatzung und NVA-Nutzung des Gebietes, stehen noch zwei der großen Gebäude der ehemaligen Heeresversuchsanstalt: das ruinöse Sauerstoffwerk und das riesige Kraftwerk. Im Schalthausanbau des letzteren befindet sich seit 2001 die vorbildlich eingerichtete Ausstellung des Historisch-Technischen Museums. Man versucht, die Erinnerungsarbeit fein zu justieren: Einerseits ist die Ideenschmiede einer forschenden Elite zu präsentieren, die die gesamte Nordspitze der Halbinsel als ideale Wirkungsstätte nutzen konnte. Andererseits wird ebenso sorgfältig das unendliche Elend dokumentiert, das mit den wissenschaftlichen Erfolgen des deutschen Raketenbaus einherging: Nicht von ungefähr brannte sich die Rakete A 4 unter dem Namen V 2 ins kollektive Gedächtnis ein. V stand für Vergeltungswaffe, von Joseph Goebbels persönlich umbenannt. Sie - wie die ebenfalls in Peenemünde entwickelte V 1 - trug seitdem das Ziel im Namen, für das sie auch gebaut wurde. Über 6.000 Menschen starben infolge der V 2-Abschüsse auf England, Frankreich, Belgien und Holland.

Bedeutendes Industriedenkmal

Achitektonisch stellt sich das ehemalige Kraftwerk heute als ein technisches Denkmal in saniertem Zustand dar, der trotz eines Erweiterungsbaus aus DDR-Zeit die typischen Charaktermerkmale der NS-Architektur veranschaulicht. Neben ihrer Modernität in Form und Funktion sowie der zentralen Bedeutung, die der Anlage für die Energieversorgung der Peenemünder Einrichtungen zukam, wird ihre besondere Rolle durch die Tatsache unterstrichen, dass das Kraftwerk, die zugehörigen Förderanlagen und die Bunkerwarte sowie auch die Hafenanlagen als Gesamtkomplex praktisch vollständig erhalten geblieben sind. Das Kraftwerk ließ die Heeresverwaltung zwischen 1940 und 1943 als Energiezentrale der Peenemünder Versuchsanstalten von der Abteilung Kraftwerksbau der Siemens-Schuckert AG in klarer Zweckform errichten. Der eingeschossige Transformatorenanbau ist baulicher Bestandteil des Kraftwerks, bei dem es sich um einen verklinkerten Stahlbetonskelettbau handelt mit additiv zusammengefügten Gebäudeteilen, die jeweils eigene Funktionseinheiten beherbergten.

Teil dessen war der Transformatorenanbau, der der Spannungsumwandlung des erzeugten Stroms zwecks Weiterleitung, Verteilung und Nutzung innerhalb der Versuchsanstalten diente. Der Transformatorenanbau war in seiner Bausubstanz stark gefährdet: undichte Dachhaut, teilweise Einsturzgefahr. Die permanent eindringende Feuchtigkeit führte zu Absandungen und Frostsprengungen. In die tragende Wand des angegliederten Maschinenhauses lief Wasser, sodass auf der Wandinnenseite im Bereich der Turbinenhalle Feuchtehorizonte, Salzausblühungen und absandende Ziegel auftraten und die Statik bedroht war. Die Stiftung unterstützte die Sanierung dieses unbequemen Denkmals im Jahr 2018.

Kraftwerksbau, errichtet 1939-1942. Errichtet in Stahlbetonskelettbauweise, Stillegung 1991, Förderung 2018, 2020

Adresse:
17449 Peenemünde
Mecklenburg-Vorpommern