Ehem. Rotaprint Fabrik
Bezirk Mitte, Berlin

Ehem. Rotaprint Fabrik

Industriedenkmal der Nachkriegsavantgarde

Erinnern Sie sich noch an Telefone mit Wählscheiben vom Ende der 1980er Jahre oder die Floppy-Disk, Anfang dieses Jahrtausends ausgestorben? Einst bahnbrechende Technik, dann fast über Nacht zum Objekt der Melancholie abserviert – das trifft auch auf Kleinoffsetdruckmaschinen von Rotaprint zu. Moderne Kopierer und Drucker läuteten das Ende der im Jahr 1904 gegründeten Firma aus Berlin-Wedding ein, die anfangs noch Deutsche Maschinen Vertriebsgesellschaft hieß. Die Fabrik in der Reinickendorfer Straße 46 prägt bis heute den Block zwischen Gottsched- und Wiesenstraße. Denn hier wurden in den 1950er Jahren typische Berliner Gründerzeitkomplexe aus der vorangegangenen Jahrhundertwende mit architekturhistorisch bedeutenden Nachkriegsbauten ergänzt. Heute ist die ehemalige Industrieanlage ein fragiles Denkmal deutscher Nachkriegsavantgarde!

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Optisch einmalig in Berlin

Bereits ab 1906 produzierte die Firma die Kopiermaschine „Viktoria“, einen handbetriebenen Kurbeldrucker für zehn bis zwölf Kopien. Vervielfältigung war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gefragte Technik. Das damals noch wenig bekannte Offsetdruck-Verfahren für kleine Formate bis DIN A 4 wurde schnell elektrisch – eine Erfindung der Rotaprint. Die wuchs bald auf über 300 Beschäftigte an. Im Zweiten Weltkrieg wurden 80 % der Produktionsstätten zerstört. 1951 dann der Neuaufbau - um der wachsenden Produktion gerecht zu werden, wurden an der Gottschedstraße Flachbauten anstelle der zerstörten Vorderhäuser errichtet. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre hatte Rotaprint schon bis zu 1000 Beschäftigte.

Der Architekt Klaus Kirsten (1929-99) bekam in der Folge den Auftrag zwischen 1955 und 1959 insgesamt fünf Gebäudeteile neu zu errichten. Mit seinem Freund Heinz Nather (geb. 1927), der zeitgleich mit Kirsten an der TU Berlin studiert hatte, leitete er ab 1957 das Architekturbüro Kirsten & Nather, das im Berlin der 1950er und 60er Jahre herausragte. Jeder ihrer Bauten, egal ob es sich um ein Fabrikgebäude oder ein Wohnhaus handelt, zeichnet sich durch einen gleichermaßen eigenwilligen wie souveränen Umgang mit Formen und Materialien aus. Entlang der Bornemannstraße errichtete Klaus Kirsten 1957/58 für die Rotaprint ein Bürogebäude mit Rasterfassade, dem eine eingeschossige Montagehalle und ein zweigeschossiges Treppenhaus vorgelagert sind. Die Front ist in 23 Fensterreihen gegliedert und mit in sich verschobenen Betonfertigteilelementen strukturiert – einmalig für jeden der davor steht.

Insolvenz und bröckelnder Beton

Eine Mitte der 1980er Jahre gewährte Bürgschaft des Senats für die angeschlagene Rotaprint AG führte nach der Insolvenz zur Übereignung des Geländes an den Bezirk und später an den Liegenschaftsfonds Berlin, der den Auftrag hatte, das zehn Hektar große Grundstück meistbietend zu verkaufen. Nachfolger wurde die ExRotaprint, eine gemeinnützige GmbH. Die hat sich zum Erhalt des Baudenkmals und der Förderung von Kunst und Kultur verpflichtet, vermietet zu je 1/3 Flächen an Gewerbebetriebe, soziale Einrichtungen und Kreative. Doch an wichtigen Teilen des Industriedenkmals bröckelte der Beton. Im Nachkriegsdeutschland musste oft am Putz gespart werden. Dadurch war der Komplex nicht ausreichend gegen Witterungseinflüsse geschützt. Das hat im Laufe der Jahre zu starken Korrosionsschäden und Betonabplatzungen geführt. Fensterelemente sind korrodiert. Und auch ein moderner Brandschutz war nicht gegeben. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte auch mithilfe von Spenden die Instandsetzung der Fassaden, Fenster und Decken des Büroriegels.

Der Architekt Klaus Kirsten hat auf dem Gelände der ehemaligen Rotaprint Fabrik zwischen 1955 und 1959 insgesamt fünf Gebäudeteile mit hohem architekturgeschichtlichem und künstlerischem Wert gebaut, das gesamte Ensemble steht seit 1991 unter Denkmalschutz, Förderung 2022.

Adresse:
Gottschedstr.
13357 Bezirk Mitte
Berlin