Typischer kann sich ein deutscher Gasthof kaum nennen: „Zum Wilden Mann“, dahin ging „Mann“ früher vor allem nach der Arbeit, wenn er durstig war. Im 19. Jahrhundert während der industriellen Revolution entstanden in Deutschland tausende solcher Wirtshäuser, so auch im beschaulichen Ostrau zwischen Leipzig und Dresden. Der klassische Dorfgasthof mit Schankwirtschaft und üppig dekoriertem Festsaal hat seine Ursprünge im 18. Jahrhundert und ist ein besonders festlicher Vertreter deutscher Feierabendkultur. Für die Ostrauer war ihr Gasthof immer ein wichtiges Stück Heimat. Doch Anfang des 21. Jahrhunderts war „Zum Wilden Mann“ sogar vom Abbruch bedroht.
Der Gasthof steht im Zentrum von Ostrau an einer Kreuzung und wird mittlerweile vom Verkehr umtost. Der zweigeschossige Baukörper beherbergte einen geräumigen Festsaal im Obergeschoss. Das Gebäude entstand um 1850 als Erweiterungsneubau gegenüber einer Schenke, die zu einem alten Vierseitenhof gehörte. Dieser Hof war die 1190 erstmals urkundlich erwähnte Keimzelle des Bauernweilers Ostrau. Im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwungs im 19. Jahrhundert verdoppelte sich die Bevölkerung von Ostrau – und damit die Zahl der durstigen Kehlen. Um 1900 genügte das schlichte Gasthaus nicht mehr. Deshalb wurde der Saal um einen Bühnenanbau erweitert.
Der Roßweiner Architekt Exner benutzte bei der Neugestaltung Stilmittel aus dem Schlossbau des 18. Jahrhunderts, vor allem des Dresdner Barocks. So komponierte er eine eindrucksvolle Schaufront – mit einem auf Säulen ruhenden Vorbau samt Loggia und Balustrade am Haupteingang. Auch der Festsaal wurde mit opulenter Stuckdekoration in neobarocken Formen verziert. Diese Stuckdecke ist bis heute erhalten geblieben, ebenso die Malereien von 1850.
Das Gasthaus „Zum Wilden Mann“ wurde seit circa 1900 von Privatgastronomen bewirtschaftet. Zu DDR-Zeiten betrieb die „Konsumgenossenschaft Döbeln“ die Gaststätte und ließ sie stark umbauen. Nach der Wende ging der Nachfolgebetrieb insolvent. Seitdem stand die Gaststätte „Zum Wilden Mann“ leer, auch ihr Abriss wurde bereits diskutiert.
Doch engagierte Bürger Ostraus haben erfolgreich darum gekämpft, den Verfall ihres bedrohten Heimatdenkmals aufzuhalten. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnte der Festsaal saniert und die freiliegenden spätklassizistischen Bemalungen von 1850 gerettet werden. Heute wird der Gasthof für kulturelle und private Veranstaltungen der Ostrauer Bürger genutzt.