Klosterkirche
Jerichow, Sachsen-Anhalt

Klosterkirche

Erstes Kloster im Grenzbistum Havelberg

Für einen Moment lässt der Name Jerichow an den biblischen Ort und die sprichwörtlichen Posaunen denken. Doch es war eine unbiblische "kühne (jery) Burg (chow)" der Slawen, die dem Ort seinen Namen gab. Ebenso kühn war das Vorhaben, hier 1144 eine der ersten christlichen Niederlassungen an der Elbe zu gründen. Es war der erste Konvent des Grenzbistums Havelberg. Schnell sollten weitere "christliche Inseln" im Missionsgebiet folgen. Mit dem Bau der heutigen Klosterkirche begann man 1148, als das Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg Prämonstratenser entsandte, die eine romanische Basilika errichteten. Bereits ab 1180 besaß der Bau eine Krypta und erhielt ein erweitertes Langhaus. Zum Kloster gehören neben der Kirche St. Marien und St. Nikolaus die um den Kreuzgang herum angelegten Klausurgebäude: Kapitelsaal, Dormitorium, Sommer- und Winterrefektorium, und Klosterküche. Der Kreuzgang entstand mit einigen Veränderungen am West- und Südflügel erst um 1220 in den Formen des Spätmittelalters. Die Westfassade mit den mächtigen Doppeltürmen wurde ab 1250 errichtet und erhielt Ende des 15. Jahrhunderts die gotischen Turmhelme. Mehr als "kühn" war auch die Wahl des Baumaterials und der Handwerker, denn sie hatte weitreichende Folgen: Das Kloster besteht fast vollständig aus Backsteinen.

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Backstein- ein europäischer Baustoff

Die Klosterkirche in Jerichow ist die erste Backsteinkirche im Ostseeraum. Sie wurde Vorbild für viele andere Kirchen der Region. Die Technik der Backsteinbaukunst, die einst die Römer für ihre Monumentalbauten verwendet hatten, war damals im Norden Europas komplett in Vergessenheit geraten, obwohl der Rohstoff Lehm gut verfügbar war. Weil sie in einer solch vollendeten Form umgesetzt wurde, sind sich Experten einig, dass die Expertise von oberitalienischen Fachkräften stammen muss, die nicht nur die Bauweise, sondern auch die Technik zur Erstellung der Backsteine mitbrachten.

Ihnen ist auch das Kreuzbogenfries zu verdanken, eine Verzierung aus Rundbögen, die sich auf halber Breite überschneiden und in einem Ornamentband immer wieder wiederholen. Ursprünglich tauchte dieses erstmals an der Moschee im spanischen Toledo auf, die 999 errichtet worden war. Kreuzritter, die an der Eroberung Spaniens von den Mauren beteiligt waren, oder Pilger nach Santiago de Compostela brachten wiederum das Kreuzbogenfries als Stilelement nach Italien mit.

Meisterwerk der Romanik

Auch die reichen Baudetails wie Lisenen, Friese - Kreuzbogen-, Konsolen-, Zahnschnittfriese - und Fensterrahmungen lassen oberitalienische Einflüsse vermuten. Der Innenraum des Kirchenschiffs wird geprägt durch die einfachen und klaren Proportionen und den farblichen Kontrast der roten Backsteine zu den weißen Hausteinelementen. Die mächtigen Rundpfeiler tragen hohe, ungegliederte Wände mit rundbogigen Obergadenfenstern, beide Chöre liegen erhöht. Der um 1170 entstandene Osterleuchter auf achteckigem Sockel gilt als der älteste erhaltene nördlich der Alpen. Weitere kostbare Ausstattungsstücke der Entstehungszeit sind zwei spätromanische Sandsteinbecken und einige Reste von Wandmalereien.

Kein Wunder, dass dieses kühne Bauwerk im 19. Jahrhundert Karl Friedrich Schinkel und Friedrich Wilhelm IV. so sehr beeindruckte, dass der König eine Restaurierung veranlasste. Ihr verdanken wir den heutigen Raumeindruck, der jährlich Tausende von Besuchern begeistert. Umfangreiche Maßnahmen zur Freilegung der Klausur erfolgten von 1964 bis zum Ende der 80er Jahre. Im Oktober 1998 musste das Kloster jedoch für Besucher gesperrt werden. Ein fast ein Meter langes Teil des Traufgesimses war aus 30 Metern Höhe auf den Vorplatz der Klosterkirche hinabgestürzt. Der Steinschlag machte überdeutlich, wie gefährlich marode die hohen Turmdächer waren: Es war ein schwerer Schlag für all jene, die sich in den vorherigen Jahren für die Rettung der bedeutenden Klosterkirche einsetzten. Hinter diesem Ereignis steckt eine Reaktionskette, die dramatische Folgen hat, wenn man nicht rechtzeitig eingreift: Am Anfang steht ein undichtes Dach. Feuchtigkeit zersetzt die Mauerkronen, die aufliegenden Holzbalken werden morsch. Hier in Jerichow waren die Holzstreben betroffen, die für die Aussteifung der Dachkonstruktion sorgen. Einen schweren Sturm hätten die Turmdächer kaum noch überstanden.

Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnten 1999-2001 sowie 2003/04 Dach- und Mauerwerksrestaurierungen am Kirchenschiff sowie an den Klausurgebäuden durchgeführt werden.

Romanische Backsteinbasilika mit Doppelturmfront, Querschiff, Hauptchor und Nebenchören, 2. Hälfte 12. bis Mitte 13. Jh., Turmhelme 15. Jh., Förderung 1999-2001, 2003/04

Adresse:
39319 Jerichow
Sachsen-Anhalt