Pfarrkirche St. Ulrich
Seeg, Bayern

Pfarrkirche St. Ulrich

Raumwunder im Allgäu

Seeg im Ostallgäu bietet eine bayerische Bilderbuch-Szenerie: hochaufragende Berge, sanfte Hügel, kleine, von Riedgräsern gesäumte Seen und mittendrin die Pfarrkirche mit dem Zwiebelturm. Ein Besuch in St. Ulrich könnte die Krönung sein - das stattliche Gotteshaus zählt zu den elegantesten Rokoko-Schöpfungen in Süddeutschland. Überall im Kircheninnern lassen sich verspielte und kunstvoll variierte Details entdecken, wie die Putten mit den zarten Blütengirlanden. Auch die Fresken und Malereien, geschwungene muschelartige Ornamente, und als Krönung das farbige und unendliche wirkende Hauptfresko an der Decke verströmen eine beeindruckende Atmosphäre.

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Höhepunkt bayerischen Rokokos

Die heutige Pfarrkirche St. Ulrich geht zurück auf einen mittelalterlichen Vorgängerbau, von dem nur noch die unteren Geschosse des Turmes erhalten sind. Ihr heutiges Aussehen erhielt die Mitte des 17. Jahrhunderts neu errichtete Kirche ab 1701 nach Plänen von Johann Jakob Herkomer (1652-1717), der sie erweiterte und umgestaltete. Der Füssener Universal-Meister war als Architekt, Stuckateur, Bildhauer und Maler hoch angesehen. So entstand ein großzügiger Saalbau mit eingezogenem Chorraum im Osten und doppelter Empore im Westen. 1725 erfolgte die Weihe. Die heutige Ausstattung kam erst in den folgenden Jahrzehnten hinzu: prächtige Rocaille-Stuckaturen von Andreas Henkel und grandiose Fresken von Balthasar Riepp sowie Johann Baptist Enderle. Sie ergeben im Zusammenspiel mit der Architektur ein stimmiges Gesamtkunstwerk, licht und leicht bei aller Bilderfülle.

Da die 1650 gegründete Seeger Rosenkranzbruderschaft immer wieder hohe Summen für die Kirche zur Verfügung stellte, durfte sie auch das Thema des Hauptbildes an der Langhausdecke bestimmen. Am Beispiel der Seeschlacht von Lepanto wird die Kraft des Rosenkranzgebetes dargestellt. Im Zentrum des Freskos erscheint die von Engeln umgebene Gottesmutter auf einer Wolkenbank. Dank ihrer Fürsprache bei der Dreifaltigkeit - Papst Pius V. hatte die gesamte Christenheit zum Rosenkranzgebet aufgerufen - soll der Sieg über die zahlenmäßig weit überlegene türkische Flotte gelungen sein. Doch statt formvollendeter Deckenmalerei treten seit dem Frühjahr 2016 nackte Holzlatten zutage. Dabei war erst 2004-2007 eine umfassende Innensanierung der Kirche erfolgt, bei der mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz der ursprüngliche Farbklang des Rokoko wiederhergestellt worden war.

Seeschlacht am Boden

Umso schmerzlicher traf die Seeger der Absturz eines Teils der scheinbar intakten Langhausdecke. Nachdem Teile des Deckenfreskos zu Boden gekracht waren, sortierten Restauratoren eine Woche lang alle erhaltenen Teile und begannen mit einer Notsicherung des entsprechenden Bereichs. Umfangreiche statische Untersuchungen der gesamten Decke zeigten schnell, dass es mit der Reparatur der einen Fehlstelle nicht getan ist. Auch an vielen anderen Stellen haftet der Putz nur mangelhaft. Was man mittlerweile weiß: So perfekt die Decke künstlerisch ist, so unzureichend erfolgte im 18. Jahrhundert ihr Aufbau. Die Spanten sowie die Latten, die die Unterkonstruktion für den Putz bilden, haben falsche Abstände, das Gefüge der Putzschichten war insgesamt instabil. Diese Schwachstellen mussten mechanisch gefestigt werden, ohne das Fresko zu beeinträchtigen. Wie schwierig und aufwendig das war, kann auch der Laie erahnen. Die gesamte Putzschale der Langhausdecke musste restauratorisch gesichert werden, damit sich nicht noch mehr von der originalen Substanz von deren fragilem Untergrund löst. Erst anschließend war es möglich, die Rekonstruktion der zerstörten Stellen zu beginnen. 2019 bewilligte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz Fördermittel, um dem Projekt zu helfen. Inzwischen erstrahlt die Kirche dank zahlreicher Spenden wieder in altem Glanz.

Verputzter Saalbau, 1701-25 von Joseph Miller und Johann J. Herkommer, Förderung 2004-06, 2019

Adresse:
87637 Seeg
Bayern