Sayner Hütte
Bendorf, Rheinland-Pfalz
© Thomas Naethe

Sayner Hütte

Bedeutender neugotischer Industriebau

Sie liegt etwas versteckt in einem engen Tal des Saynbachs: die älteste noch erhaltene Werkhalle, die als Eisenkonstruktion errichtet wurde. Von feingliedriger neugotischer Gestalt, hat sie nicht nur Industrie-, sondern auch Baugeschichte geschrieben. Hier gelang ab 1815 der Übergang zur industriellen Fabrikation. Die Sayner Hütte, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Standorte für die preußische Eisengussproduktion, gilt als Prototyp des modernen Industriebaus.

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Gießhalle als Musterbeispiel des Eisenbaus

Wegweisend wurde das frühindustrielle Innovationszentrum vor allem durch die Herstellung leichter, weitspannender Tragwerke, die für den Bau von Brücken, Bahnhofshallen und Industrieanlagen pionierhafte Bedeutung erlangten. Ein frühes und baukünstlerisch besonders gelungenes Beispiel für die Anwendung der neuen Technologie ist die Sayner Hütte selbst. Bei der 1830 errichteten Gießhalle verwendete man erstmals seriell vorgefertigte Bauteile, die aus eigener Produktion stammten und vor Ort gegossen wurden. Mehr als sechs Meter hohe Hohlsäulen mit dorischen Kapitellen trugen eine gusseiserne Binderkonstruktion ohne Nieten und Schrauben, wie es sie zuvor noch nicht gegeben hatte. In Längs- und Querrichtung freitragend, spannte sie sich über 24 mal 29 Meter - eine technische Höchstleistung. "Eine Hütte, die sich selbst ein Haus aus Eisen gegossen hat", würdigte der Schlegelschüler und Dichter Karl Simrock den expandierenden Betrieb 1840, nur wenige Jahre nach dessen Fertigstellung. Berühmte Eisenbauten wie die Schwimmhalle des Wiener Dianabades (1842) oder der Kristallpalast in London (1851) entstanden erst später.

Erbauung der Sayner Hütte im 18. Jahrhundert

Dass man in Sayn, einem Ortsteil von Bendorf am Rhein, auf eine Ahnherrin des modernen Industriebaus stößt, vermutet der heutige Besucher nicht. Wer der schmalen Straße entlang des Saynbachs folgt, erreicht das Hüttenareal, das sich an den nördlichen Hang des Burgbergs schmiegt. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Längst steigt kein Rauch mehr aus dem Hochofen. Lärm und Schmutz gehören der Vergangenheit an, seit das Werk 1926 geschlossen wurde. Schon im 17. Jahrhundert boten reiche Eisenerzvorkommen, viel Wald und Wasser günstige Voraussetzungen für die Eisenverhüttung. 1769 ließ der letzte kurtrierische Kurfürst Clemens Wenzeslaus ein auf Repräsentation angelegtes Ensemble erbauen: die Sayner Hütte, die das Rheinland schon bald mit Roheisen und einfachen Gusserzeugnissen versorgte.

Wirtschaftliche Hochphase durch Gießtechnik und Kunstguss

1815 ging die Anlage an den preußischen Staat über. Wegen ihrer räumlichen Nähe zu Koblenz gewann sie rasch an Bedeutung, denn die Rheinfestung sollte zu einer der größten Militäranlagen in Europa ausgebaut werden. Entsprechend hoch war der Bedarf an Munition, Geschützen, Maschinen und Leitungsrohren. In den folgenden 50 Jahren baute man die Hütte neben den schon bestehenden königlichen Eisengießereien im oberschlesischen Gleiwitz und in Berlin zu einer der modernsten Preußens aus. Nicht nur ihre Gießtechnik, sondern auch eine hochwertige Kunstgussproduktion brachten dem kreativen Zentrum eine Auszeichnung als Musterbetrieb ein.

Carl Ludwig Althans als Architekt der Gießhalle

Maßgeblichen Anteil an der Blütezeit hatte ein Mann, mit dessen Namen die Sayner Gießhalle bis heute verbunden ist: Carl Ludwig Althans (1788-1864), der 1818 als gerade 30-Jähriger die Leitung des Werks übernahm. Obwohl er Mathematik und Mechanik studiert hatte und kein Architekt im herkömmlichen Sinn war, wurde er mit dem Bau einer neuen Hütte beauftragt. Feuersicher und großflächig sollte sie sein. 1828 konnten die Bauarbeiten beginnen, und schon 1830 war die gesamte Gießhalle fertiggestellt. Carl Ludwig Althans, eine Art technisches Universalgenie, hatte ein architektonisch faszinierendes Bauwerk geschaffen: eine als dreischiffige Basilika angelegte Industriehalle in Gusseisenkonstruktion. Für eine Instrustrieanlage dieser Dimension gab es in Europa noch kein Vorbild. Althaus fand dieses in den Sakralbauten der Gotik, die ab 1140 auf der Ile-de-France entwickelt worden war, und auf die man sich zu seiner Zeit in der Architektur rückbesann.

Weltruhm durch Eisenkunstguss

Zeitgleich mit der Planung der neuen Hütte begann Carl Ludwig Althans mit der Herstellung von Eisenkunstguss, der weltberühmt werden sollte. Ziseleure und Bildhauer arbeiteten an einer enormen Produktpalette, die von Öfen, Töpfen, Gittern und Grabkreuzen bis zu Wendeltreppen und filigranem Schmuck reichte. Wie kreativ die Werkstatt war, zeigt das Rheinische Eisenkunstguss-Museum in Bendorf an Exponaten und Musterbüchern, den Vorläufern der heutigen Versandkataloge. 1865 kaufte die Firma Krupp die Sayner Hütte, und wenig später wurde der Hochofen stillgelegt. Um angeliefertes Roheisen zu verarbeiten, ließ man noch eine weitere Werkhalle, die sogenannte Krupp'sche Halle, bauen. 1926 jedoch wurde die Anlage, die abseits günstiger Transportwege lag, geschlossen.

Verfall und Restaurierung der Tragekonstruktion

Wechselnde Nutzungen, Leerstand und zahllose Eingriffe prägten die folgenden Jahrzehnte, in denen das Areal zusehends verfiel. Bürgerschaftliche Wachsamkeit verhinderte 1973 buchstäblich in letzter Minute den bereits beschlossenen Abriss. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz förderte 2011 und 2014 die Instandsetzung der Sayner Hütte.

Hütten- und Gießereianlage, 1769/79 gegründet, Gießhalle 1828-30, erweitert 1844 und 1874, Förderung 2011, 2014

Adresse:
Althansweg
56170 Bendorf
Rheinland-Pfalz