Für einen Flugzeugparkplatz: Bund vernichtete ein Monument deutsch-deutscher Geschichte

Gerade Berlin ist Sinnbild für die Teilung und die Wiedervereinigung Deutschlands, für das Schaffen und das Überwinden von Grenzen. Eines der baulichen Zeugnisse der geteilten Geschichte Deutschlands war das Generalshotel in Berlin, das sich bis Februar 2024 auf dem Areal des Flughafens BER befindet. Hier trafen sich einst Helmut Schmidt und Erich Honecker; Fidel Castro, Olof Palme, Pierre Trudeau oder Juri Gagarin kannten es auch. Gebaut wurde es ab 1947 als luxuriös ausgestattetes Empfangs- und sogenanntes Spezialgästehaus der sowjetischen Militäradministration. Der Bau war noch vor Gründung der DDR fertig, und stand seit Mitte der 1990er Jahre unter Denkmalschutz. Das Gebäude war in einem Top-Zustand und ein echtes Gesamtkunstwerk – von der historischen Bedeutung ganz zu Schweigen.

Nun wurde das Denkmal und die Geschichte des Ortes zerstört – allen Initiativen, Bitten und Expertenmeinungen zum Trotz. Und dies, um Platz zu machen für einen Flugzeugparkplatz der Flugbereitschaft deutscher Politiker. Im September 2023 wurde mit der Entkernung des wertvollen Bauwerks begonnen, laut Presseberichten haben die äußeren Rückbaumaßnahmen im Januar 2024 begonnen, Anfang Februar war das zerstörerische Werk vollendet und die historisch wichtige Villa dem Erdboden gleichgemacht. 

Statt Vorbildfunktion wurde Geschichte mit Füßen getreten

Wie wichtig Erinnerungskultur ist, sollte auch in der Politik inzwischen angekommen sein. Mit diesem Abriss tritt die Bundespolitik Geschichte und Kultur des Landes mit Füßen. Anstatt ein Vorbild zu sein im Einsatz für das Bewahren unserer gebauten Geschichte, beharrten die politischen Entscheider auf der Zerstörung dieses bedeutenden Denkmals der deutsch-deutschen Geschichte. Dies ist umso inakzeptabler, da private Denkmaleigentümer – zurecht – vom Gesetzgeber im öffentlichen Interesse zum Erhalt geschützter Denkmale verpflichtet sind. Im Fall Generalshotel Schönefeld kam die Regierung ihrer eigenen Verantwortung für das kulturelle Erbe nicht nach. Im Gegenteil. 

Abriss als Dogma?

Vor allem das Vorgehen beim Abriss dieses historischen Kulturdenkmals entsetzt – denn immerhin war das Bauwerk in einem einwandfreien Zustand. Da das geplante Regierungs-Flugterminal inzwischen verworfen wurde, ist eine Neuplanung des Areals nötig und möglich . Damit hätte es eine neue Chance für den Erhalt des Denkmals gegeben. Zeit dazu wäre gewesen: Denn der Umzug der Flugbereitschaft ist nicht vor 2034 geplant. Doch der Bund, in dessen Eigentum sich das Generalshotel befand, blieb dogmatisch bei dem Abriss.

Zu einem Überdenken der Flughafen-Pläne waren die Entscheider nicht bereit: alle Vorschläge, Initiativen und Kritiker stießen auf taube Ohren. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wandte sich mehrfach an die Verantwortlichen mit dem Ersuchen, den Abriss zumindest aufzuschieben, um die gewonnene Zeit für eine Diskussion und Neubewertung der Pläne zu nutzen. Vergeblich.

Die letzten Überreste der historisch wichtigen Villa wurden am 2. Februar 2024 vernichtet.
Das Generalshotel war ein außergewöhnliches Beispiel eines Repräsentationsbau der Nachkriegszeit.
Der äußere Abriss der repräsentativen Villa hat im Januar 2024 begonnen.
Mit dem Generalshotel geht ein wertvolles Denkmal verloren.
Die imposante Villa muss Flugzeugparkplätzen weichen.
Die eins prachtvolle Villa auf dem Gelände des Flughafens BER ist kaum mehr zu erkennen.
Weite Teile der originalen Ausstattung waren erhalten.
Eingangsbereich mit großem Kronleuchter.
Das ehemalige Empfangs- und sog. Spezialgästehaus ist luxuriös ausgestattet.
Das Foyer ist mit Marmor- und anderen Natursteinen ausgekleidet.
Die schmiedeeisernen Geländer und Gitter im Hotel stammen von Fritz Kühn.

Das Generalshotel: ein Gesamtkunstwerk

Die gesamte Architektur des Generalshotels knüpfte an den Stil des Spätklassizismus der 1920er Jahre an, kurz bevor die „nationale Tradition“ stalinistischer Architektur zum verbindlichen Leitbild des Bauwesens in der DDR wurde. Im Inneren des Hotels befanden sich unter anderem zahlreiche Metallarbeiten des Bildhauers und Kunstschmieds Fritz Kühn. Die von Kühn geschaffenen schmiedeeisernen Geländer und Gitter im Hotel zeugten eindrucksvoll vom ursprünglichen Stellenwert des Denkmals – und wurden wie die Naturstein- und Parkettfußböden, Wandverkleidungen aus Marmor und Travertin, Vertäfelungen und Stofftapeten für immer vernichtet beziehungsweise aus ihrem Zusammenhang gerissen. Die Pläne, Teile der Innenausstattung in ein Museum zu bringen, können diesen Verlust nicht wieder gut machen.  

All das zeigt: Dieses Denkmal war einzigartig. Mit dem Abriss des Generalshotels ist Deutschland um ein herausragendes Beispiel eines Repräsentationsbau der Nachkriegszeit ärmer. Ein außergewöhnliches Zeitdokument und authentisches Zeugnis der deutschen Geschichte wurde unwiederbringlich zerstört – und das von denen, die Vorbild sein sollten im Umgang mit unseren Kulturdenkmalen. Die Zerstörung des Generalshotels ist ein Armutszeugnis und macht mehr als nachdenklich darüber, welchen Stellenwert Kultur, Geschichte und Erinnerung in Deutschland hat. 

Das Generalshotel in Berlin ist zerstört

Unser Einsatz

Unsere Stellungnahmen zur Debatte um das Generalshotel in Berlin

15.08.2023

Vor dem Abriss mutig neu denken

Aktionen & Stellungnahmen Berlin

Deutsche Stiftung Denkmalschutz fordert Aussetzen der Abrisspläne für das Generalshotel in Schönefeld

„Es ist völlig unverständlich, dass einerseits ein Ideenwettbewerb für das Areal von Terminal 5 des BER erfolgt, andererseits am Abriss des Generalshotels im direkten Vorfeld festgehalten wird“, so Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Die Chance für eine Neubewertung der Erhaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten eines außergewöhnlichen Denkmals deutscher Geschichte werde bewusst vertan. Nach der Entscheidung, den provisorischen Standort des Regierungsflughafens beizubehalten und auszubauen, erfolgen in den nächsten Jahren Neuplanungen für die notwendigen Bauten und Flächen der Flugbereitschaft. Dabei könnten und müssten auch alternative und ebenso funktionale Standorte für die Flugzeugparkplätze in der Abwägung der Belange des Denkmalschutzes neu erwogen werden. Bereits im Planfeststellungsbeschluss von 2011 wurde den Denkmalschutzbelangen von der Planfeststellungsbehörde „erhebliches Gewicht“ beigemessen. Die Abrisspläne zeugen nicht von gelerntem nachhaltigem Umgang mit Ressourcen. Die strikte Verweigerung des geforderten Abriss-Moratoriums für ein völlig intaktes Baudenkmal trotz der erfolgten und noch anstehenden Planungsänderungen mache ihn fassungslos, so Skudelny. Man solle den Mut für einen neuen Ansatz aufbringen und die vorhandene Zeit bis zum Umzug der Flugbereitschaft 2034 (!) nutzen, statt Fehlentwicklungen einfach weiter zu verfolgen. Antworten auf entsprechende Anschreiben der größten privaten Denkmalschutz-Stiftung in Deutschland an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) und alle beteiligten Bundesminister waren noch nicht erfolgt, als der Sprecher der BIMA den Beginn des beschönigend  „Rückbau“ titulierten Abrisses noch im September verkündete. Ministerpräsident Dietmar Woidke hat bereits darauf hingewiesen, der geplante Abriss “bewegt nicht nur Historiker und Denkmalschützer, er bewegt vor allem die Menschen in Brandenburg“. Die bundesweit tätige Deutsche Stiftung Denkmalschutz ergänzt hierzu: ... und weit darüber hinaus!

Zum Denkmal:
Bereits 1947 wurde mit der Planung des repräsentativen Bauwerks als luxuriös ausgestattetes Empfangs- und sog. Spezialgästehaus der sowjetischen Militäradministration begonnen.1949, noch vor Gründung der DDR, war der Bau fertiggestellt. Es handelt sich um einen der ersten Nachkriegsneubauten des Flughafens Schönefeld auf dem vormaligen Gelände der Henschel-Flugzeugwerke. Erst sechs Jahre nach Übergabe des Flughafens zur zivilen Nutzung an die DDR trennte sich 1961 die sowjetische Militäradministration von ihrem Generalshotel. Nach einigen Umgestaltungen diente es bis 1990 als Sonderempfangsgebäude des Ministerrats der DDR dem Empfang von politischen und zivilen Staatsgästen. 1995 nahm die Bundespolizei hier ihren Dienstsitz.
Zeitstellung und Nutzungsgeschichte des ehemaligen Generalshotels verleihen dem Bauwerk Einzigartigkeit. Einen eigenen Stellenwert besitzt die Architektur, die für einen Repräsentationsbau der Besatzungsmacht an den Spätklassizismus der 1920er Jahre anknüpft, unmittelbar bevor die „nationale Tradition“ stalinistischer Architektur zum verbindlichen Leitbild des Bauwesens in der DDR wurde. Nicht weniger ungewöhnlich ist die wertvolle, in großem Umfang erhaltene wandfeste Ausstattung aus der Zeit um 1950. Naturstein- und Parkettfußböden, Wandverkleidungen aus Marmor und Travertin, Vertäfelungen und Stofftapeten sowie die Metallarbeiten des Berliner Bildhauers und Kunstschmieds Fritz Kühn lassen noch heute den ursprünglichen Stellenwert des Bauwerks und den Anspruch seiner Auftraggeber erkennen.
Dank durchgängiger Nutzung und Pflege bis zum Jahr 2023 blieb das ehemalige Generalshotel in gutem Zustand erhalten – ein außergewöhnliches Zeitdokument und eminentes Zeugnis der deutschen Geschichte.

Generalshotel in Berlin-Schönefeld * Foto: Archiv Fritz Kühn
Generalshotel in Berlin-Schönefeld * Foto: Archiv Fritz Kühn
Generalshotel in Berlin-Schönefeld * Foto: Archiv Fritz Kühn
Generalshotel in Berlin-Schönefeld * Foto: Archiv Fritz Kühn
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Generalshotel – Chronologie

  • 1947
  • 1949
  • 1961
  • 1991
  • 1995
  • 1996
  • 2011
  • 2022
  • 2023
  • 2024
    • Die sowjetische Militäradministration ließ die repräsentative Villa auf dem Gelände des Flughafens Schönefeld planen und bauen. Der Flughafen ist aus den Anlagen der Henschel-Flugzeugwerke-AG hervorgegangen.

    • Der Bau des Empfangs- und sog. Spezialgästehaus ist abgeschlossen.

    • Das sowjetische Militär verließ den Flughafen Schönefeld, dieser war inzwischen in einen Zivilflughafen umgewandelt worden. Das Ministerium 
      für Nationale Verteidigung übergab das Gebäude am 24. Februar 1961 der DDR-Führung. Sie begrüßte in der sogenannten "Sonderabfertigung" hochrangige Staatsgäste.

    • Nach der Wiedervereinigung übernimmt die Bundesfinanzverwaltung die Liegenschaft, es folgt die Übergabe in das Ressortvermögen des Bundesministers der Verteidigung, Bundeswehrverwaltung.

    • Das Grundstück, einschließlich Gebäude, wird für die Unterbringung der Grenzschutzstelle (Grenzschutzinspektion) Flughafen Berlin-Schönefeld abgegeben. Die Bundespolizei zieht in das Gebäude ein.

    • 1996

      Das Generalshotel wird als Denkmal unter Schutz gestellt und in die Landesdenkmalliste Brandenburgs eingetragen. Das Gebäude besitzt sowohl regionalgeschichtliche, architekturhistorische, wissenschaftliche und künstlerische Bedeutung. Laut Brandenburgischem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum gelte „(…) das ‚Generalshotel‘ als Zeugnis des Übergangs von einer militärischen zu einer zivilen Nutzung des Flughafens in Schönefeld (…). Er diente von Anbeginn an als würdiger Empfangs- und Unterbringungsort hochrangiger Persönlichkeiten.“

      Foto: Im Fokus / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0

    • Im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses für die Errichtung des Flughafens BER wurde der Abriss des Generalshotel beschlossen – gegen das Votum der Landesdenkmalpflege.

    • Das Bundesfinanzministerium bestätigte den Verzicht auf einen Neubau des Regierungsterminals. Stattdessen soll das Interimsgebäude am BER weitergenutzt werden. Damit wären wieder viele Möglichkeiten offen. Am Abriss des Generalshotel wird dennoch festgehalten.

    • Am 14. September 2023 wurde mit dem Abriss des historischen Kulturdenkmals begonnen – allen Initiativen, Bitten und Expertenmeinungen zum Trotz.

      Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz setzte sich in der Debatte um den Abriss gegenüber Entscheidern und mit öffentlichen Stellungnahmen für den Erhalt des Generalshotels ein. Zudem appellierten weitere Denkmal- und Architekturexperten, die Erben des Künstlers Fritz Kühn, der Teile der Inneneinrichtung des Generalshotels gestaltet hatte, und alle sechs Landtagsfraktionen im brandenburgischen Parlament sowie der Ministerpräsident Dietmar Woidke an die Bundesregierung, die Entscheidung zu überdenken. Auch Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner sprach sich öffentlich für den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes aus. 

    • Nach der Entkernung des Gebäudes und Rückbauarbeiten im Inneren, starteten im Januar 2024 die von außen sichtbaren Maßnahmen und damit der eigentliche Abriss des wertvollen Denkmals. Presseberichten zufolge wurde am 5. Januar mit dem Ausbau der Fenster begonnen, auch die Terrassen wurden entfernt. Am 2. Februar wurden die letzten Überreste des historisch wichtigen Gebäudes entfernt und der Abriss vollendet.