Im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit einem Positionspapier politische Entscheider auf den großen Wert und Bedrohung unseres vielfältigen kulturellen Erbes aufmerksam gemacht – und an die Verantwortung appelliert, welche die politischen Akteure im Bundestag tragen, um die Rahmenbedingungen für den Erhalt unserer gebauten Geschichte zu verbessern.
Denn die Denkmallandschaft in Deutschland ist durch kontinuierlich verschlechterte Prozesse und Grundlagen mehr und mehr in Gefahr. Es braucht dringend eine Kurswende, wenn unsere sowieso minimale Denkmallandschaft nicht weiterhin so deutliche Verluste erleiden soll. Das Positionspapier enthält 5 zentrale Forderungen für eine Verbesserung der Situation des Denkmalschutzes.
Es zeigt auch gravierende Missstände und Zerrbilder auf, welche den Umgang mit Denkmalschutz und Denkmalpflege derzeit prägen – und welche Maßnahmen aus unserer Sicht nötig sind, um dringend erforderliche Kurskorrekturen in der kommenden Regierungsperiode anzugehen.
Denkmalschutz in Deutschland befindet sich seit Jahren in einer Krise. Das kulturelle Kapital, welches die Pflege und Bewahrung unserer gebauten Geschichte und Identität darstellt, wird mehrheitlich unterschätzt und erfährt einen kontinuierlichen Rückgang von Unterstützung vor allem aus dem politischen Bereich. Ebenso ist die Sicht auf und der Umgang mit Denkmalschutz in Deutschland von zahlreichen weitverbreiteten Zerrbildern geprägt. Dies erschwert eine sachgerechte und nachvollziehbare Bewertung und Entscheidungsfindung. Vor allem bei Themen wie Klimaschutz, zum Beispiel hinsichtlich regenerativer Energien und energetischer Ertüchtigungen, werden Denkmale als Verhinderer und fälschlicherweise als nicht kompatibel dargestellt.
Denkmale wurden von unseren Vorfahren geschaffen, oftmals unter herausfordernden Bedingungen. Sie überlebten Kriege und Krisen und wurden von Generation zu Generation weitergereicht. Nun tragen wir die Verantwortung dafür, dass diese Werte auch an unsere Nachfahren übergeben werden. Denkmale zu bewahren bedeutet nicht nur, Meisterleistungen, Einzigartiges und Meilensteine der eigenen Geschichte zu erhalten. Auch alltägliche Lebensqualität, Heimatverbundenheit, Tourismus, Handwerk und gesellschaftliche Grundwerte werden hierdurch gestärkt und gesteigert. Und die weitaus meisten Denkmale sind auch in ihrer Nachhaltigkeitsbilanz vorbildhaft.
Es braucht dringend eine neue Haltung und eine Kurswende, wenn unser geringer Denkmalbestand, der nur rund 3,5 % unserer Bausubstanz ausmacht, nicht weiterhin so deutliche Verluste erleiden soll. Wir riskieren aktuell, unserem Land mehr und mehr das zu nehmen, woran sich Epochen messen lassen: unsere kulturellen Meisterleistungen und unsere Geschichtszeugnisse.
Es wird daher Zeit, das öffentliche Bild des Denkmalschutzes zu korrigieren und ihn nicht weiterhin als Verhinderer, sondern als Anker und Wertschöpfer für unser Land zu verstehen. Und sich zu dem Wert und der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Bewahrung unserer Baukultur zu bekennen und dies durch entsprechende Rahmenbedingungen wieder zu ermöglichen.
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass immer öfter Regelungen der Denkmalschutzgesetze nicht mehr umgesetzt werden. Zugleich werden vermehrt systemische Fehlstellungen geschaffen, die zu einer Schwächung des Denkmalschutzes führen. Denkmalschutzgesetze werden ausgehebelt oder Fachämter und Denkmalbehörden durch mangelhafte Personal- bzw. organisatorische Ressourcen so weit ausgehungert, dass sie ihren Aufgaben nicht mehr angemessen gerecht werden können.
Das Ergebnis dieser Tendenz in der praktischen Denkmalpflege ist fatal: Durch strukturelle Unterversorgung mangelt es an Manpower und Fachkenntnissen bei Entscheidern und Organen der Denkmalpflege. Dies wiederum ergibt in der Öffentlichkeit das Bild: Denkmalschutz verlangsamt Verfahren, es werden nur Verbote ausgesprochen und keine Lösungen im Rahmen von Beratungen entwickelt – kurzum: der Mehrwert und der eigentliche Auftrag der Denkmalpflege gerät durch die mangelhaften Rahmenbedingungen aus dem Blick. Die eigentlichen Ursachen werden hingegen nicht thematisiert, Gründe für diese suboptimalen Prozesse werden verschwiegen. Wertet man die Presse aus, so wird sichtbar: Das Image der Denkmalpflege leidet, Bekenntnisse für die Relevanz und Bedeutung des Erhalts unserer Baukultur sind kaum noch zu finden.
Aktuell geht jeden Tag mindestens ein Denkmal in Deutschland verloren:
Durch Abriss, Vernachlässigung bis zum Totalverlust, durch bewusste Entscheidungen häufig unter dem Vorwand wirtschaftlicher oder – besonders absurd – angeblich ökologischer Zwänge. Auch der Klimawandel gefährdet historische Bauwerke; Hochwasser und Fluten haben ebenso wie starke Temperaturschwankungen deutliche Auswirkungen auf unsere Denkmallandschaft.
Dabei stehen nur circa 3,5% des Gebäudebestandes in Deutschland unter Denkmalschutz – ein Schätzwert, da es keine bundesweite, einheitliche Erfassung von Denkmalen gibt. Fest steht: Denkmale machen nur einen sehr geringen Anteil unserer Umgebungsarchitektur aus – sie sind ein rares und umso kostbareres Gut. Sie benötigen auch deswegen einen besonderen Schutz.
Ihr Erhalt liegt im Interesse der Öffentlichkeit: als „begehbares Geschichtsbuch“ und Wissensspeicher - auch für zukünftige Generationen.
Deutschland war eine echte Kulturnation, die sich durch Wertschätzung und eine bewusste Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit und kulturellen Errungenschaften auszeichnete. Diese Excellenz sehen wir durch eine allgemeine Abkehr von und Ignoranz gegenüber unserem kulturellen Kapital akut bedroht:
Bundesweit sind zahlreiche Angriffe auf die bestehenden Denkmalschutzgesetze und -Prozesse zu konstatieren – klassische Gründe hierfür sind beispielsweise Hürden abzubauen, Neubauplanungen zu beschleunigen oder Klimaschutzziele erreichen zu können.
Eigentlich notwendige Reformen werden dabei unterdrückt.
Die öffentliche Hand, die eine Vorbildfunktion im Umgang mit den Denkmalen in ihrem Eigentum haben sollte, gibt als Denkmaleigentümer häufig ein schlechtes Bild ab: Der Denkmalstatus wird vielfach ignoriert, zuständige Fachgremien werden übergangen und Maßnahmen bis hin zu Abrissbeschlüssen nicht selten auf ministerialer Ebene willkürlich entschieden.
Die gängigsten Zerrbilder und Vorurteile, die hinsichtlich Denkmalpflege bei Entscheidern, Medien und Interessensverbänden benannt werden, sind vor allem:
Fakt ist: bei vielen Stadtentwicklungs- oder Bauvorhaben werden die Fachleute der Denkmalpflege viel zu spät gehört und erst in einer präfinalen Entwicklungsphase einbezogen. Die Planungen erfolgen oftmals ohne denkmalpflegerischen Sachverstand, dessen späte Involvierung Korrekturbedarfe nach sich zieht. Hieraus ergeben sich vielfach Verzüge in den Planungs- und Bauprozessen. Ursächlich sind dabei häufig viel weniger die Belange des Denkmalschutzes an sich, für die sich mehrheitlich gute Lösungen auch bei Umplanungen und Entwicklungsplanungen finden lassen, als vielmehr ein fehlerhafter Beteiligtenprozess.
Denkmale sind wahre Nachhaltigkeits-Champions. Sie zeichnen sich zumeist durch regionale und natürliche Baumaterialien aus, haben eine sehr lange Lebens- und Nutzungsdauer und somit eine niedrige Gesamtenergiebilanz. Regenerative Energien sind in vielen Fällen problemlos mit dem Denkmal vereinbar. Vielfach wird die Energiebilanz jedoch auf die Betriebsenergie reduziert betrachtet. Die Entstehungs- und Entsorgungsenergie sowie die Haltbarkeit von Bauten findet nur untergeordnete Berücksichtigung. Das verzerrt die Tatsachen. Doch am Ende bleibt: Auch bei einem Gebäude sollte man Nachhaltigkeit und Klimaschutz über den gesamten Lebenszyklus hinweg bilanzieren: von der Errichtung, über die Nutzung bis hin zur Entsorgung. Unter diesem Gesichtspunkt sind Denkmale modernen Bauprojekten im Thema Nachhaltigkeit und Effizienz zumeist deutlich überlegen.
Ökonomische Wertschöpfung und Denkmalschutz sind keine Gegensätze - ganz im Gegenteil. Denkmale stellen in vielfacher Hinsicht einen echten Wirtschaftsfaktor und Mehrwert dar: Sie sind einer der Hauptfaktoren für Tourismus in Deutschland, stärken die regionale Handwerksbranche und den Mittelstand im Bauwesen. Die Expertise des klassischen Bauhandwerks ist im Denkmalbestand zu Hause.
Die Erfassung von Denkmalen in Deutschland ist Länder- bzw. kommunale Aufgabe und nicht bundesweit zentral geregelt. Dies ist ein dringend zu behebender Missstand – es braucht eine bundesweite, nach einheitlichen Standards erfasste Denkmal-Statistik. Denn durch die derzeitig dezentrale Lösung lassen sich keine validen Aussagen über den Denkmal-Gesamtbestand Deutschlands machen. Die vielen hundert Denkmallisten sind uneinheitlich in Zählweise, technischer Erfassung und Aktualität. Dadurch gibt es weder in den Bundesländern noch bundesweit eine Datengrundlage zur Ermittlung des Bestands und der Entwicklung unseres kulturellen Erbes. Eine solche Sachgrundlage über die deutsche Denkmallandschaft ist jedoch unverzichtbar – auch hinsichtlich eventueller Krisenfälle, die eine schnelle Gesamtkoordination zur Rettung von Kulturgut notwendig machen.
Weder die Tatsache, dass ein Denkmal seinen Schutzstatus verliert, noch anderweitige Denkmalverluste oder Abrisspläne werden derzeit der Öffentlichkeit transparent und rechtzeitig dargelegt.
Sowohl in den Behörden als auch in der politischen Entscheidungsfindung muss Denkmal-Fachlichkeit gestärkt und auch quantitativ angemessen vertreten werden.
Dass Bauen im Bestand eine größere Rolle spielen muss, hat viele Gründe: Umweltschutz, Ressourcenschonung und nachhaltiges Wirtschaften sind einige davon. Daneben ist das Bauwesen in Deutschland allgemein von einer starken Bürokratie und zahlreichen Auflagen geprägt, die sich teils gar widersprechen. In diesen Bauauflagen-Dschungel kommen dann ggfs. noch denkmalpflegerische Maßstäbe und Vorgaben hinzu – was oftmals eine Überforderung für alle Beteiligten ist.
Denkmalschutz und -pflege liegen im Interesse der Allgemeinheit. Denkmalbesitzer leisten daher einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft. Gleichwohl wird ihnen eine große finanzielle Verantwortung für Pflege und Erhalt übertragen. Die Kosten für handwerkliches Bauen, besondere Materialien und Techniken steigen überproportional gegenüber dem industriellen Bauen. Im Gegenzug dazu werden die bürokratischen Hürden und Komplexitäten bei öffentlichen Förderprogrammen immer höher. Diese Fördermittel unterliegen darüber hinaus auch teilweise intransparenten Vergabeverfahren.
Stand: Februar 2025