Das Heilige Grab der Pfarrkirche St. Laurentius in Rottach-Egern ist heute ein seltenes Fundstück. "Es muss,“ so das Kunstreferat des Erzbischöflichen Ordinariats in München, „als ein hochqualitatives Exemplar dieser speziellen Gattung der Festarchitektur gesehen werden, geschaffen von einem durchaus namhaften Künstler des 18. Jahrhunderts". Joseph Ignaz Schilling (1702-1773) stammte aus Villingen und wurde als Hoftheatermaler in München bekannt, er schuf jedoch auch zahlreiche Kirchengemälde, so die Altäre in St. Petrus und Jakobus Maior in Nendingen oder das Deckenfresko im Jesuitenkolleg Dillingen. Das Heilige Grab in Egern verbildlicht auf zahlreichen bemalten Kulissenteilen die Passion, den Tod und die Auferstehung Christi. Die Aufbauten ließen sich in der Karwoche im Chor der Pfarrkirche installieren und füllten den gesamten Raum aus. Die Kulissen ermöglichten dabei unterschiedliche figürliche Inszenierungen, so dass an Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag jeweils die dem Tag entsprechenden Motive einsetzbar waren. Am höchsten Punkt der Scheinarchitektur befand sich, oft verschleiert, eine Monstranz mit dem konsekrierten Leib Christi. Die Gläubigen erhielten so eine Hilfe für ihr persönliches Betrachten des Heilsgeschehens. Insbesondere die Jesuiten nutzten die üblichen Theatertechniken und farbenfrohen Aufführungen religiöser Thematiken, um den Glauben einfachen wie gebildeten Menschen nahezubringen. Mittels Staffelung, illusionistischer Malerei und Leuchtmittel sollte das Glaubensgeschehen optisch erfahrbar und miterlebbar werden. Dieser erklärten Absicht verdanken auch die Kulissengräber ihre Entstehung.
In Egern blickt der Betrachter in die von zwei schlafenden Wächtern flankierte Grabkammer. Auf der oberen Ebene symbolisieren gedrehte Säulen und Löwenfiguren den Thronsaal des salomonischen Tempels. Auf einem überbrückenden Sims zeigen Engel die Marterwerkzeuge Christi. Rechts und links sind Szenen aus dem Alten Testament dargestellt: die Opferung Isaaks durch Abraham und die Aufrichtung der ehernen Schlange durch Moses. Es sind Sinnbilder für den Kreuzestod Christi, der aufrecht am Kreuz das Heil der Welt erwirkt und in Einheit mit dem Vater den Tod freiwillig erleidet. Dabei wurde das Innere der Pfarrkirche mit schwarzen Vorhängen verdunkelt, die monumentale Heiliggrab-Kulisse im Altarraum allein mit den 65 farbigen Glaskugeln und den vom Kirchengewölbe herabhängenden Leuchtern illuminiert. Passion und Auferstehung Jesu wurden Gegenwart im Kirchenraum, die Auferstehung war in rotes bengalisches Licht gehüllt.
Ein Verbot zu Beginn des 19. Jahrhunderts sah in dem Spektakel eine Banalisierung der Passion, die zur bloßen Unterhaltung herabgewürdigt werde. Eine kurze, mit Palmen dekorierte Renaissance erlebten die Kulissengräber Mitte des 19. Jahrhunderts, bevor sie auf den Dachstühlen oder im Feuer verschwanden. Inzwischen tauchen die Szenerien vereinzelt wieder verschiedentlich auf. So in Egern, wo eine Bühnenkonstruktion erarbeitet und einzelne Kulissen als Vorbereitung für einen Probe-Aufbau notgesichert wurden. Gereinigt und gefestigt sollen die Kulissen wieder nutzbar werden. Doch bevor eine zeitweise Aufstellung des gesamten Grabes im Altarraum wieder möglich ist, muss das Heilige Grab erst einmal renoviert worden sein. Das soll bis 2011 geschehen, wenn die Stadt Egern ihren 900. Geburtstag feiert.