24.06.2010 – Presse

Ein Museum für Wohnkultur im ältesten Bürgerhaus der Stadt

Das Kavalierhaus in Gifhorn – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Zu den schönsten und ältesten Häusern in der Stadt Gifhorn gehört das im Stil der Weserrenaissance erbaute Kavalierhaus in der Nähe von Schloss und Rathaus. Das für einen hohen Hofbeamten konzipierte Gebäude übernahm vor drei Jahren die Bürgerstiftung Kavalierhaus, die darin die Ausstellungsräume des „Museums für bürgerliche Wohnkultur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ unterhält. Doch beträchtliche Schäden an der Fachwerkkonstruktion bedrohen den Fortbestand des prächtigen Wohnhauses. Im Inneren haben die Setzungen einen Umfang erreicht, der die Gefährdung der Standfestigkeit jedem deutlich macht. Nach ersten, eher provisorischen Sicherungsmaßnahmen, die jedoch ihre Funktion gut erfüllen, besteht die besondere Herausforderung darin, die Fachwerksanierung so durchzuführen, dass die originalen Raumfassungen darunter möglichst wenig leiden. An der auf zwei Jahre ausgelegten Sanierung beteiligen sich neben der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die zweimal 30.000 Euro zur Verfügung stellt, auch Bund und Kommune, die Bank- und die Landkreisstiftung.

Im Osten Niedersachsens liegt zwischen Hannover, Braunschweig und Wolfsburg die erstmals 1196 erwähnte Stadt Gifhorn, die ursprünglich aus einer Burg und einer herzoglich-braunschweigischen Vogtei bestand. Zunächst wohl nur ein kleiner Brückenort, bei dem sich im versumpften Urstromtal die Aller überqueren ließ, trug die verkehrsgünstige Lage an der Kreuzung der Salzstraße Lüneburg-Braunschweig und der Kornstraße Magdeburg-Celle dazu bei, dass sich die Ansiedlung weiter entwickelte. Die Welfenherzöge ließen hier später neben der Vogtei eine Wassermühle und einen Wirtschaftshof bauen. 1275 erhielt Gifhorn das Marktrecht, 1364 die den Stadtrechten vergleichbaren Weichbildrechte, die im sächsischen Raum galten und im 13. Jahrhundert schriftlich festgehalten worden waren.

1519 wurde die Stadt während der Hildesheimer Stiftsfehde fast völlig vernichtet. Den Wiederaufbau der Stadt krönte die Errichtung des 1547 fertiggestellten wehrhaften Schlosses, zu dessen Erweiterung sich auch das 1546 für den Hofmarschall des Herzogs erbaute Kavalierhaus zählen lässt, das als das älteste erhaltene Bürgerhaus Gifhorns gilt. Beide Gebäude errichtete der seinerzeit renommierte Bau- und Festungsmeister Michael Clare. Die steinerne, verputzte Giebelfassade des Kavalierhauses mit Segmentbogenfenstern, Welschen Giebeln und Utlucht ist zum Steinweg hin ausgerichtet, der Hauptstraße Gifhorns. Die Gliederung – gerade auch der markante Treppengiebel – verleugnet die stilistischen Ähnlichkeiten mit dem Gifhorner Schloss nicht.

Die Gebäuderückseite ist als mächtiges Fachwerk in Ständerbauweise errichtet. An den Knaggen, den die Vorkragungen unterstützenden Holzkonsolen, finden sich aufwendige geometrische Schnitzereien. Eindrucksvoll sind auch der Gewölbekeller und der hohe, in wesentlichen Teilen originale Dachboden, der durch ein noch intaktes Lastenaufzugsrad aus dem 17. Jahrhundert als Speicher nutzbar war.

Das im Stile der Weserrenaissance gehaltene Fachwerkgebäude mit seiner massiven Giebelfassade beherbergt im Erdgeschoss Ausstellungsräume und das Museum für bürgerliche Wohnkultur im frühen 20. Jahrhundert. Nach dem Tod der Eigentümerin und letzten Bewohnerin 1992 wurden die Räumlichkeiten auf ihren Wunsch hin museal genutzt. An der original erhaltenen Wohnung wurden keinerlei Veränderungen vorgenommen, und der Eindruck, noch bewohnte Räume zu besichtigen, ist beabsichtigt. Allerdings sind die Räumlichkeiten deswegen nur nach Voranmeldung und mit Führung zu besichtigen. Um aus der Not eine Tugend zu machen, hat die Bürgerstiftung Kavalierhaus als Eigentümer und Betreiber des Museums ein museumspädagogisches Konzept entwickelt, das bestimmte Thematiken durch Zusatzangebote vertieft. So werden beispielsweise Themenführungen zur „Wäsche“ angeboten, bei denen Herstellung, Säuberung und Sauberhaltung sowie die Nutzung praktisch vorgeführt werden. Weitere Themen sind unter anderem „Kommunikation“, „Küche“ und „Selbstversorgung“. Zur letzten Thematik gehört auch der Garten, der - wie für Selbstversorger üblich - dreigeteilt ist: ein kleiner repräsentativer Teil unmittelbar am Haus, ein Teil mit Stallgebäude für die Kleintierhaltung und ein Bereich für den Obst- und Gemüseanbau.