30.09.2010 – Presse

Ein Palast aus Londorfer Lungstein

Schloss Friedelhausen in Lollar – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

1905 und noch einmal 1906 und 1907 weilte Rainer Maria Rilke jeweils für einige Wochen als Gast auf Schloss Friedelhausen. Nahe der Lahn, am Rand eines Bergrückens und umgeben von einem englischen Park hatten sich Adalbert von Nordeck zu Rabenau und seine Frau Clara von 1852 bis 1856 ein Schloss errichten lassen. Der englische Architekt John Dobson hatte das Gebäude geplant, das in seiner Anlage und Gestalt ganz dem romantischen Zeitgeist entsprach. Das weitgehend original erhaltene, im Stil der englischen Neogotik ausgeführte Ensemble, zu dem auch ein Gutshof gehört, ist heute eine architektonische Besonderheit in Hessen. Es dokumentiert anschaulich einen herrschaftlichen Wohnsitz im 19. Jahrhundert. Die Dachdeckung ist marode und die eindringende Nässe hat zu statischen Schäden an der Dachkonstruktion und der obersten Deckenlage geführt. Damit ist auch die wertvolle Innenausstattung durch die Feuchtigkeit in Gefahr.

Aus dem örtlichen Londorfer Lungstein, einem witterungsbeständigen und gut zu bearbeitenden grauen Basalt, ließ Freiherr Adalbert von Nordeck zur Rabenau seiner Frau Clara ein Stück ihrer Heimat an der Lahn errichten. Von Nordeck zur Rabenau hatte Clara Philipps, Korrespondentin der "London Times", als Abgeordneter in Frankfurt kennengelernt. Nun beauftragte er den in Nordengland für seine Arbeiten im neugotischen Tudorstil berühmten Architekten John Dobson (1787–1865) mit der Planung und der Ausführung des Gebäudes.

Dobson schuf für das Paar ein Schloss in mittelalterlichem Ambiente. Es erhebt sich in unverputzter Steinsichtigkeit in zwei Geschossen über einem längsrechteckigen Grundriss. Vier schlanke, achteckige Ecktürme ragen über die Firsthöhe hinaus und schließen mit einem Zinnenkranz ab. Spitzbogenfenster, die im Erdgeschoss rechteckige, im Obergeschoss spitzbogige Verdachungen überfangen, gliedern die Fassaden. Ein flaches Walmdach mit mehreren Kaminen deckt den Bau.

Der englische Baukünstler wurde auch mit der Gestaltung der Innenräume betraut. Berühmt für seine Treppenhäuser, besticht auch die Haupttreppe von Schloss Friedelhausen durch den großzügigen, dreiläufigen Aufgang und das kunstvolle schmiedeeiserne Geländer. Die große Wandfläche des Treppenhauses bemalte Reinhard Hochapfel mit einer illusionistischen Loggia, die einen Durchblick auf eine Blumenwiese gestattet und von einem gemalten Sternenhimmel überspannt wird.

Clara Philipps starb 1867 und damit hätte die Geschichte des Schlosses fast ein Ende gefunden, hätte nicht ihre Tochter, Luise von Schwerin, den Dichter Rainer Maria Rilke 1905 während eines Kuraufenthaltes in Dresden kennengelernt. Die kunst- und literaturbegeisterte Gräfin lud den armen Poeten und seine Familie gleich dreimal zu erholsamen und kreativen Wochen an die Lahn ein. Ihr verdankte der Lyriker auch seine Begegnung mit dem Bankier Karl von der Heydt, der ihn fortan als sein erster Mäzen finanzierte.

Seit den 1970er Jahren lebt die Grafenfamilie von Schwerin nicht mehr in dem gefährdeten Schloss. Doch sieht sich der Ururenkel des Erbauers in der Pflicht, das Anwesen für die Zukunft zu erhalten. Der eigene Baustil und die nahezu über 160 Jahre unveränderte Authentizität machen das Bauwerk zu etwas Besonderem. Das große Problem ist das flache Dach. Um das gotische Erscheinungsbild nicht zu stören, verzichtete Dobson seinerzeit auf Traufen am Zinnenrand. Die nach und nach in den Dachstuhl eindringende Feuchtigkeit sorgte dafür, dass die Holzkonstruktion an den Tragwerken des Daches und des Dachstuhls stark angegriffen wurde. Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und mit Mitteln des Landes Hessen konnte der Schaden instand gesetzt, die Anschlüsse der Ecktürme und die wackeligen Schornsteine gefestigt und eine vernünftige Entwässerung angebracht werden.

Damit ist ein zumindest erster wichtiger Schritt zur Erhaltung des Denkmals getan. Doch bevor eine im Haus einmalige, von tiefen Rissen durchzogene Kassettendecke aus Stuck restauriert und die vielen originalen Holzfenster aufgearbeitet werden können, muss erst noch der Altan am Eingangsportal, der wegzubrechen droht, gesichert werden.