07.10.2010 – Presse

Ein überdachter Wehrgang in Treppenform

Die Burgstaffel in Esslingen – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Jahrzehntelang war die Bauunterhaltung an der Esslinger Burgstaffel, einem Teil der alten Stadtbefestigung, nur notdürftig wahrgenommen worden. Umso umfangreicher waren am Ende die Schäden. Feuchtigkeit hatte die Dachkonstruktion geschädigt, die Mauerkrone wies an einigen Stellen lose Steine auf. Insbesondere die Dachdeckung über dem mit 315 Treppenstufen begehbaren Wehrgang war desolat und locker. Zudem begünstigte die lose Randbefestigung dümmlichen Vandalismus. Nach ausführlichen Voruntersuchungen und einem Vorprojekt begann 2008 der erste Bauabschnitt zur Wiederherstellung. Die besondere Schwierigkeit liegt dabei darin, dass Reparatur und Ergänzung der Dachkonstruktion bei aufliegender Deckung durchzuführen ist. Die Konstruktion muss verstärkt, verfaulte Sparren behutsam ergänzt werden. Die originalen Dachziegel ließen sich verklammern und hinterher mit einem Luftkalkmörtel verstreichen. Fehlende Ziegel müssen handgeformt in einem Ringofen gebrannt und eingepasst werden. Die Restaurierung des historischen Ganges über der Stadt dauert mehrere Jahre.

Die um 1220 wohl schon vorhandene Ummauerung der Kernstadt Esslingens schloss bereits zum Ende des Jahrhunderts den über der Stadt liegenden Hang des Schönenbergs mit ein. Die dortige Mauer war durch Flügelmauern mit der übrigen Befestigung verbunden. Mit einer 1268 erwähnten „neuen Mauer“ könnte die westliche Schenkelmauer gemeint sein, die heutige Burgstaffel.

Die Esslinger Burganlage gilt als bedeutendes Zeugnis der Befestigungskunst aus der Zeit der Frührenaissance. Die als Burg bezeichnete Befestigung des Schönenbergplateaus entstand 1519 im Vorfeld einer erfolglosen Belagerung. Dabei wurden die bestehenden Mauern verstärkt und die Türme aus- bzw. neugebaut. Spätestens zu dieser Zeit erhielt die Burgstaffel ihr heutiges Aussehen als überdachter Wehrgang in Treppenform. Die dreigeschossige Hochwacht auf dem Westende der oberen Mauer, des Seilergangs, bekam gleichfalls ihre gegenwärtige Gestalt. 1527 ergänzte man die Wehranlage im Südosten durch den Dicken Turm.

Die Mauern, die ein Areal in Form eines unregelmäßigen Sechsecks beschreiben, erstrecken sich über rund 125 Meter Länge. Fünf Türme erheben sich jeweils an den Ecken der Anlage. An der sechsten beginnt der Aufstieg in den Burghof über die sogenannte Burgstaffel. Die historische Treppenanlage mit ihren 315 Stufen bringt so manchen Besucher ins Schwitzen, entschädigt wird er dafür am Ende mit einem grandiosen Blick ins Neckartal und die umliegenden Weinberge.

Die Dachdeckung der Burgstaffel ist noch die ursprüngliche, jetzt rund 500 Jahre alte, die an manchen Stellen beschädigt ist. Das Ziegeldach ist eines der ältesten und vollständigsten in Süddeutschland. „Efeu wächst aus den Schießscharten an den Steinwänden und wuchert bis hoch auf den Dachfirst zwischen den Ziegeln,“ wussten die Stuttgarter Nachrichten zum Beginn der Restaurierung vor zwei Jahren zu berichten. Doch gut die Hälfte der Sanierung ist inzwischen geschafft. Dabei kommt für die Handwerker erschwerend hinzu, dass sie das modernde Holz und die kaputten Bausteine reparieren müssen, ohne das Dach abdecken zu können. Sonst würden viele der noch intakten Ziegel zerbrechen. Letztlich wird die Sanierung rund 1 Million Euro kosten. Die Hälfte trägt das Stadtsäckel, den Rest stemmen der Burgverein aus Esslingen und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dank ihrer privaten Förderer und der GlücksSpirale, der Rentenlotterie von Lotto.

Der Burgverein hat jüngst Unterstützung durch eine ortsansässige Sektkellerei erhalten. Der Fabrikant der ältesten Sektmarke Deutschlands sitzt seit gut 200 Jahren in Esslingen und hat sich Ende vergangenen Jahres zum Mitmachen entschlossen. Von dem Erlös des eigens aufgelegten Burgstaffel-Sekts „Kessler Cuvée 315 brut“ geht ein Euro pro verkaufter Flasche an die Burgstaffel. Das Flaschenetikett dekoriert der Treppenaufgang, wie er auf einer historischen Menükarte 1894 zu sehen war. Ihr Engagement begründet die Firmenleitung mit dem „direkten Bezug zur Esslinger Burg und ihren Weinbergen“: „Am Schönenberg wuchs im Schatten der Esslinger Burgstaffel jener Klevner-Wein, aus dem Georg Christian Kessler 1826 den ersten deutschen Schaumwein erzeugte.“ Deshalb spielt auch die Zahl 315 im Produktnamen auf die Stufenzahl der Burgstaffel an.