05.07.2010 – Presse

Größer noch als die Theater in Arles und Orange

Das Römische Theater in Mainz – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz 

Die Mauern des Römischen Theaters in Mainz bestehen aus mörtelgebundenem Gussmauerwerk, das mit Handquadern aus Kalkstein verblendet wurde. Die Gewölbe wurden über Leergerüsten errichtet, deren Schalbretter als Abdrücke noch heute erkennbar sind. Die Besonderheit des Mauerwerks sind die Zwischenlagen aus Ziegeln, die zur schnellen Stabilisierung bei der Aufmauerung und als optische Zierelemente dienten. Die Zuschauer erreichten ihre Sitzplätze über unterirdische Gänge, Rampen und Treppen. Nachgewiesen sind auch die auf den ausgegrabenen Mauern und Pfeilern aufliegenden Gewölbe als Unterlage für die Sitzreihen. Doch mit der Verkürzung der Stadtmauer im 4. Jahrhundert lag das Theater vor den Mauern der Stadt. Um rasch Material für den neuen Stadtmauerbau zu bekommen, gab man es zum Abbruch frei. Vom 6. Jahrhundert an nutzten die umliegenden Klöster die Katakomben mit ihren überwölbten Räumen als Begräbnisstätten. Noch im 11. Jahrhundert war das Theater bekannt, doch beim Bau der Mainzer Zitadelle im 17. Jahrhundert wurde es vollständig eingeebnet. 

Als Ausgangsbasis zur Verteidigung des Limes und für weitere Eroberungszüge errichteten die Römer um 12 v. Chr. auf einer das Rheintal und die Mainmündung beherrschenden Höhe ein Lager für zwei Legionen, das bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts nach Christus bestand. Zu diesem Stützpunkt gehörte auch eine Zivilsiedlung, die den Namen Mogontiacum erhielt und ab den 80er Jahren des 1. Jahrhunderts zur Hauptstadt der Provinz Germania Superior aufstieg. 

In vier Feldzügen unterwarf Drusus, der Stiefsohn des Kaisers Augustus, von Mainz aus Germanien vom Rhein bis zur Elbe, ehe er selbst im Jahre 9 n. Chr. tödlich verunglückte. Der verdiente Feldherr fand im Mausoleum des Kaisers in Rom seine letzte Ruhestätte, doch errichtete man ihm in Mainz ein Ehrengrabmal. Wohl schon im Jahre 19 n. Chr. fand hier die erste militärische Parade zu seinen Ehren statt, die ebenso wie die zivile Totengedenkfeier im Theater bis ins dritte Jahrhundert durchgeführt wurde. Für die Repräsentanten der 60 gallischen Gebietskörperschaften, die damals jährlich zu den Feierlichkeiten anreisten, entstand die 340 Meter vom „Drususstein“ entfernte Bühnenanlage eigens in Stein. Der Durchmesser des Theaterrunds wurde in den letzten Jahren mit etwa 116 Meter und die Bühnenbreite mit 42 Meter rekonstruiert, womit der Bau das größte Theater nördlich der Alpen darstellt und sogar vergleichbare Bauten in Orange oder Arles an Umfang übertraf. Die jährliche Prachtveranstaltung machte die Stadt zudem zu dem Versammlungsort, an dem sich Gallier und Germanen der gemeinsamen römischen Wurzel erinnerten. Als mit dem 4. Jahrhundert Roms Herrschaft endete, geriet der Theaterbau außerhalb des städtisch geschützten Raumes und verschwand völlig, als beim Bau der Zitadelle im 17. Jahrhundert das Gelände eingeebnet wurde. 

Erst durch Zufall stieß man beim Eisenbahnbau 1884 auf römische Überreste, die man zunächst jedoch nicht dem Theater zuordnete und die daher dem Gleisbau weichen mussten. Erst 1914 erkannte der Kunsthistoriker und Archäologe Ernst Neeb, dass die Funde in diesem Bereich von dem Bühnentheater stammten. 1916 bestätigten Suchschnitte Neebs Theorie. Weitere Arbeiten verhinderte jedoch zunächst der Erste Weltkrieg, es wurden sogar alle Mauerreste wieder zugeschüttet. 

Der Beginn einer größeren Grabungstätigkeit seit 1999 hing mit stadtplanerischen Überlegungen zusammen, denen zufolge das Umfeld des Mainzer Südbahnhofs neu bebaut werden sollte. Das archäologische Landesamt für Denkmalpflege begann nach Vorarbeiten in den beiden Jahren zuvor auf einer Fläche von 40 x 25 Metern ein Segment des Theaters freizulegen. Im Jahr 2000 wurde das südliche Parados mit Orchestra archäologisch freigelegt. Mit Hilfe der Stadt, von Sponsoren und auch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die bislang über 230.000 Euro beisteuerte, finden kontinuierlich weitere Ausgrabungen statt. Dabei trugen 1.000 ehrenamtliche Helfer und 25 Schulklassen fachgerecht 1.600 Kubikmeter Erdreich ab. Rund ein Drittel des gesamten Theaters ist bisher freigelegt. Mit der in Holz rekonstruierten Cavea, dem Zuschauerraum, bietet es ein Geschichtserlebnis besonderer Art. Die Gefahr, wieder in Vergessenheit zu geraten, besteht für das Theater von Mogontiacum nicht mehr.