01.07.2010 – Presse

Justitias Trauer auf geretteten Grabdenkmalen

Leipziger Epitaphe – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Vor der Sprengung der Universitätskirche St. Paul 1968 standen den Bergungskräften nur wenige Tage zur Verfügung, um das Inventar aus dem Gotteshaus zu retten. Unter den geretteten Ausstattungsstücken der gesprengten Kirche befanden sich die Kanzel, der heute in der Thomaskirche stehende Wandelaltar und rund vierzig Epitaphe, die alle gleichermaßen politisch suspekt waren. Die geborgenen Kunstwerke lagerte man zunächst im Untergeschoss des ehemaligen Reichsgerichts ein, wo sich damals das Museum der Bildenden Künste Leipzig befand. 1986 wurden sie in ein Depot verbracht, wo sie die folgenden Jahre bei zeitweise 80 Prozent Luftfeuchtigkeit lagerten. Erst 2004 kamen sie in ein eigens dafür eingerichtetes universitätseigenes Klimadepot. Nun sind umfangreiche Restaurierungsarbeiten an den teilweise zerbrochenen, korrodierten, von Holzwürmern zerfressenen oder von Pilzen und Schimmel befallenen Denkmalen - elf aus Stein, 13 aus Holz und 14 aus Bronze bzw. Gusseisen - dringend erforderlich.

Zum 600. Geburtstag der Universität Leipzig im vergangenen Jahr sollten möglichst viele der aus der 1968 gesprengten ehemaligen Universitätskirche St. Paul geretteten Epitaphe in den an der Stelle der Paulskirche neu gebauten, von der modernen Aula durch eine Glaswand abgetrennten Andachtsraum „zurückkehren“. Längst vor Abschluss der Überlegungen um die Standortfrage bemühten sich bereits die Kustodie der Universität und das Ortskuratorium Leipzig der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) darum, Spender für die Restaurierung der Kleinodien zu finden, bei deren Wiederherstellung eng mit der Fachklasse Restaurierung der Dresdener Hochschule für Bildende Künste zusammengearbeitet wird. Bislang konnten rund die Hälfte der vierzig Epitaphe wiederhergestellt werden, darunter das Grabdenkmal für Ferdinand Hommel und das für J. F. Zoege von Manteuffel, einem im 30jährigen Krieg vor Leipzig gefallenen schwedischen Offizier.

Das 1768 errichtete, weitgehend aus Holz gefertigte Gedächtnismal des Ferdinand August Hommel (1697-1765), eines bedeutenden Juristen seiner Epoche, ist als spätbarockes Medaillonbildnis-Epitaph gestaltet. Relativ gut erhalten ist die Allegorie der Justitia als klassisch gewandete weibliche Gestalt mit Buch und Maßstab. Desweiteren blieb das Familienwappen, ein Liktorenbündel und das bereits vor 1743 entstandene ovale Bildnis des Verstorbenen erhalten. Schwer beschädigt hingegen war die schwebende, geflügelte Allegorie der Zeit. Hommel wurde nach seinem Rechtsstudium 1719 in Halle zum Doktor der Jurisprudenz promoviert. 1731 wurde er für vier Jahre zum Beisitzer am Leipziger Schöffenstuhl berufen und erhielt 1734 eine juristische Professur an der dortigen Universität, deren Rektor er im Wintersemester 1739/40 war. 1762 wurde Hommel zum Senior der Juristenfakultät ernannt. Dank der großzügigen Spende des Ehepaars Harms an die DSD konnten vor allem die durch den Anobienbefall verursachten Schäden beseitigt werden.

Die Zoege von Manteuffel sind ein altes baltisches Adelsgeschlecht, das mit Gerardus Soye 1325 erstmals urkundlich erwähnt wird. Die schlichte schwarze Holztafel für Joachim Friedrich stammt von einem unbekannten Schreibmeister und ist nach der Schlacht bei Breitenfeld am 2. November 1642 entstanden. Leipzig stand in der Folge des Dreißigjährigen Krieges bis 1650 unter schwedischer Besatzung. Ab 1631 befand sich in der Paulinerkirche die Grablege der schwedischen Offiziere, alles in allem wurden hier bis 1652 rund 40 Schweden bestattet. Zoege von Manteuffels Spruch wird an 24. Stelle aufgeführt. Seine Tafel, das einzige erhalten gebliebene Militär-Epitaph, gehörte also nicht zu seiner Grabstätte. Diese lag zusammen mit weiteren 31 Grabstellen "in den Winkeln zur linken Hand bey der Sacristey". Dank der großzügigen Spende der Ortskuratorin Brigitte Kempe konnte die DSD die tiefen Rissschäden in der Holztafel behandeln.

Die 1409 gegründete Universität Leipzig ist eine der ältesten Universitäten in Deutschland. Das Herzstück der historischen innerstädtischen Universitätsgebäude war mehr als fünfeinhalb Jahrhunderte lang die Universitätskirche St. Paul, die 1240 als Kirche des Leipziger Dominikanerklosters erbaut und 1539 säkularisiert worden war. 1543 erhielt sie die Universität zum Geschenk, 1968 wurde sie aus ideologischen Gründen gesprengt.