21.06.2010 – Presse

Lehrbeispiel für Schlesiens Renaissance

 Die Ratsapotheke in Görlitz – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz 

Ein Stadtbrand zerstörte 1525 einen großen Teil der mittelalterlichen Bauten in Görlitz, der Stadt an der Neiße. Unter Leitung des Ratsbaumeisters Wendel Roskopf des Älteren (um 1480-1549) wurde die Stadt daraufhin einheitlich im Stil der Renaissance wieder aufgebaut. In der Altstadt entstanden die großen Hallenhäuser, die in einer sonst in Deutschland nicht vorhandenen Fülle die Zeiten überdauert haben. Doch die Randlage, in der Görlitz infolge des Zweiten Weltkriegs hineingeriet, setzte der Stadt nachhaltig zu. Heute können die Denkmaleigentümer den Schatz in ihren Händen, der vom Reichtum der Vorfahren zeugt, nur unter großen Anstrengungen erhalten. Dabei benötigen sie effektive Unterstützung. Bereits in den 1990er Jahren legte daher die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ein „Bürgerhausprogramm“ auf, um in Verbindung mit dem Bund-Länderprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ wirksam zu helfen. Viele prächtige Entrees und Treppenhäuser, Dächer, aufwendig gestaltete Fassaden und wertvolle historische Innenräume an über 50 Häusern wurden auf diese Weise mit 5,6 Mio Euro gerettet. 

Wie in einem Stilkundebuch reihen sich in Görlitz´ Altstadt die steingewordenen Seiten von Gotik über Renaissance und Barock bis zum Klassizismus und Jugendstil aneinander. Mächtige Handelshäuser zeugen von der wirtschaftlichen Bedeutung der Neiße-Stadt, die - als Gorelic 1031 erstmals erwähnt - um das Jahr 1200 unterhalb einer Burg ihren Aufschwung nahm. Dank ihrer Lage am Schnittpunkt der "Via regia" und der "böhmischen Straße" entwickelte sich der Flecken im Mittelalter schnell zu einem wichtigen Handelsplatz. Besondere Bedeutung besaß der Handel mit Waid aus Erfurt und Tuch aus heimischer Produktion. Eisenbahn und Waggonproduktion sorgten im 19. Jahrhundert für eine zweite Blütezeit. 

Einem Stadtbrand in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat Görlitz es zu verdanken, dass die Stadt in einem riesigen „Wiederaufbauprogramm“ eine einheitliche Bauprägung erhielt. Die neuen Gebäude wurden im modernen Stil der Renaissance errichtet, ältere Häuser in diesem Stil „modernisiert“ umgebaut. Das geschah auch mit dem dreigeschossigen Bau am Untermarkt 24. Das ursprünglich gotische Eckgebäude mit einem zweigeschossigen Eckerker modernisierte der Stadtbaumeister Wendel Roskopf der Jüngere zwischen 1550 und 1552 im Auftrag des Kaufmanns Hans Hoffmann. Gut zweihundert Jahre später kaufte Benjamin August Struve das Haus und verlegte sein Geschäft, die Ratsapotheke, an den Untermarkt. 

Schon zu Beginn des Mittelalters wurden in manchen Klostergärten bis zu 24 unterschiedliche Heilpflanzen kultiviert. Ab dem 12. Jahrhundert ließen sich immer mehr Kräuterkundige, auch ehemalige Verwalter klösterlicher Arzneimittelmagazine in Städten nieder. Ende des 13. Jahrhunderts entstanden in Deutschland die ersten Apotheken, die meist einflussreichen Ratsherren gehörten. Dazu gehört auch die 1305 erstmals erwähnte Ratsapotheke in Görlitz, die dann 1565 in Privateigentum überging. 

In den folgenden Jahrhunderten hat es an der „Ratsapotheke“ am Untermarkt 24 immer wieder bauliche Veränderungen gegeben. Doch der Renaissancecharakter blieb dabei erhalten. Im Innern finden sich weiterhin prächtige Giebel und bemalte Kassettendecken. Auch der interessante Eckerker, der im Erdgeschoss auf einer kannelierten Säule ruht, das Hauptportal und die kostbare Sonnenuhr des Mathematikers Zacharias Scultetus (1530–1560), ein Ausdruck für das naturwissenschaftliche Interesse des Bauherrn, sind weiterhin zu bewundern.

Bis 1832 befand sich in dem Gebäude die einzige Görlitzer Apotheke. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte man im Erdgeschoss eine öffentliche Kinderbibliothek, den ersten Görlitzer Jugendclub und eine Künstlerwerkstatt unter. Auf den übrigen Etagen wohnten Familien, die 1999 auszogen, damit das arg heruntergekommene Gebäude endlich gründlich saniert und restauriert werden konnte. An den langwierigen Arbeiten beteiligte sich auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit rund 185.000 Euro. Die ehemalige Ratsapotheke gehört zu den bedeutendsten Renaissancebauten der Region und gilt als Lehrbeispiel der Görlitzer Renaissance.