15.07.2010 – Presse

Nibelungenstadt, kaiserlicher Wintersitz und Stätte der Reformation

Das Andreasstift in Worms – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Wormser Andreaskirche stark beschädigt, aber bis 1953 wieder aufgebaut. Danach unterblieben jedoch lange Zeit weitere Erhaltungsmaßnahmen. Schließlich waren deutliche Risse und Verformungen im Mauerwerk unübersehbar, insbesondere bei den Wänden des Mittelschiffs und den beiden Osttürmen, deren Fundamente nachgegeben hatten und sich deutlich nach Osten neigten. Als die Gewölbe des Mittelschiffs als einsturzgefährdet erkannt waren, wurden, um eine Schließung des Bauwerks zu verhindern, in einem ersten Bauabschnitt die Bimssteingewölbe des Langhauses instandgesetzt und der stählerne Dachstuhl durch zusätzliche, oberhalb der Gewölbekappen verlaufende Stahlzugbänder gesichert. Dabei erneuerte man die schadhafte Dachdeckung gleich mit. An der Sanierung beteiligte sich vor zwei Jahren auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) mit 30.000 Euro. Im letzten Jahr begann die Renovierung des Nordportals und der Osttürme, für die die DSD erneut einen Betrag, diesmal in Höhe von rund 12.000 Euro, zur Verfügung stellte.

Die Stadt Worms ist über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt als Ort der Nibelungen und des Luther-Wortes „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Auch gehört der Wormser Dom als Grablege der Familie Kaiser Konrads II. neben den romanischen Domen in Mainz und Speyer zu den weithin berühmten „drei rheinischen Kaiserdomen“. Unweit vom Dom liegt seit 1020 ein weiteres, wenn auch weniger bekanntes Juwel aus der Blütezeit der Reichtagsmetropole: das Andreasstift. Noch vor 1000 als Bergkloster außerhalb der Stadt gegründet, verlegte es Bischof Burchard im besagten Jahr an den heutigen Ort, wo das Ensemble mit Vorplatz, doppeltürmiger Stiftskirche und Kreuzgang seither das Quartier dominiert. Da der Westchor des Domes mit dem Nordportal der Andreaskirche markante Ähnlichkeiten aufweist, haben wohl einige der Handwerker zugleich an beiden Kirchen gearbeitet.

Zwischen 1180 und 1200 wurde die Anlage nach einem Brand neu erbaut, wobei man den Grundriss der Vorgängerkirche weitgehend beibehielt und auch Teile des alten Baukörpers in das aufgehende Mauerwerk übernahm. So entstand eine sechs Joche lange, dreischiffige Pfeilerbasilika ohne Querhaus. Den innen halbrunden und außen ungewöhnlicherweise gerade geschlossenen Chor rahmen zwei quadratische Flankentürme. Statt einer Krypta legte man einen Stollengang an, der auch als unterirdisches Beinhaus diente.

Vom romanischen Kreuzgang südlich der Kirche hat sich der um 1200 entstandene Westflügel mit sieben Arkaden, deren mittlere als Eingang dient, erhalten. Auch der sich an die Stadtmauer anlehnende Südflügel mit den gotisierenden Arkaden von 1612 überstand die Zeiten. Dabei wurde die Kirche im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 zerstört und erst 1761 wieder renoviert. Doch schon 1802 beendeten Napoleon und die Säkularisation das Stiftsleben endgültig. Das Kloster wurde aufgelöst, die Gebäude überstanden als Kaserne, Lagerraum und Fruchthalle, später auch als Abstellplatz für die städtischen Feuerwehr- und Leichenwagen die nächsten einhundertfünfundzwanzig Jahre.

1928 rettete Freiherr Maximilian von Heyl, ein privater Geldgeber, der sich als Mitglied des Altertumsvereins um die Denkmalpflege in Worms verdient gemacht hatte, das vormalige Andreasstift. Testamentarisch bedachte der Liebhaber alter Gemäuer die dahinsiechende Anlage mit 200.000 Goldmark. Diese großzügige Summe ermöglichte ihre Sanierung und Neunutzung als Museum. Die grundlegende Wiederherstellung der Anlage nahm die beiden Jahre 1928 und 1929 in Anspruch. In dieser Zeit wurden die Gewölbe, die nach der Zerstörung 1689 nur in Holz ersetzt worden waren, in Stein erneuert. Die Obergeschosse des Südflügels wurden neu auf- und der 1786 zum Speichergebäude umgestaltete Ostflügel erstmals umgebaut – was ihm 1947 ein weiteres Mal widerfuhr. Am 1. Juni 1930 konnte das bislang im Paulusstift untergebrachte Wormser Stadtmuseum in das Andreaskloster umziehen. Besichtigen lässt sich in den stark besuchten Räumlichkeiten vor allem eine Sammlung archäologischer Funde aus rund 7.000 Jahren, die der 1879 gegründete Altertumsverein der Stadt bereits vor dem Umzug geschenkt hatte.