Der Vortrag beschäftigt sich mit der Aufnahme der französischen Religionsflüchtlinge in den protestantischen Fürstentümern jenseits des Rheins. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Landgrafschaft Hessen-Kassel unter Landgraf Karl (1677-1730) und dessen Einladung an die französischen Hugenotten in der Freiheits-Konzession vom 18. April 1689. Nach anfänglichem Versuch, die Hugenotten in der Residenzstadt Kassel anzusiedeln, stellte er ihnen schließlich die landgräflichen Gärten oberhalb der Stadt im Westen zur Verfügung, wo sich rasch die französische Oberneustadt entwickelte, von einem hugenottischen Architekten geplant und realisiert und auch eigenständig verwaltet. Stadtpläne und einzelne im Laufe des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts entstandene Gebäude und Bautypen veranschaulichen diese für ihre Zeit fortschrittliche und elegante Stadt, die jedoch durch die Zerstörung des Zweiten Weltkriegs nahezu verloren ging. Eine weitere Gründung des Landgrafen Karl ist der Karlshafen. Die Hafenstadt an der Diemelmündung in die Weser konnte nicht vollumfänglich realisiert werden. In der Geschlossenheit des nicht durch Kriegseinwirkung zerstörten Ensembles kann man jedoch heute noch etwas von der strengen Schönheit der hugenottischen Oberneustadt erahnen.
Während diese beiden Ansiedlungen für eine städtische, wirtschaftlich potente Bevölkerung erbaut wurden, sollten sich die Glaubensflüchtlinge des ländlichen Milieus, vor allem waldensische Bauern, nördlich und östlich von Kassel in der im Dreißigjährigen Krieg weitgehend entvölkerten Umgebung niederlassen. Nach anfänglichen Misserfolgen entstanden Dörfer mit den charakteristischen schlichten Siedlerhöfen und kleinen, unverwechselbaren hugenottischen Fachwerkkirchen.
Abschließend wird mit Blick auf einige herausragende Persönlichkeiten und wertvolle Sachzeugnisse die Bedeutung der Hugenotten für die wissenschaftliche, wirtschaftliche und künstlerische Entwicklung der Landgrafschaft gewürdigt.