15.05.2025

Das Grafenhaus in Herrnhaag bei Büdingen

40. Stiftungsjubiläum Bundesweit

Ein exemplarisches Beispiel für Herrschaftliche Bauten

Bei Herrschaftlichen Bauten denkt man umgehend an Burgen und Schlösser, an Herren- und repräsentative Gutshäuser. Vielfach in Familienbesitz gehören sie zu den kunst- und bauhistorisch herausragenden Denkmalen. Häufig sind sie Landmarken und beliebte touristische Ziele für die gesamte Region. Doch so schön sie aussehen und so gerne man sie aufsucht – trotz ihrer Bedeutung für die Geschichte der Region fehlt vielen von ihnen heute das einstige dazugehörige „Hinterland“. Denn nur durch Land- und Forstwirtschaft waren ihre Erbauung und ihr Erhalt durch die Zeiten möglich. Vermietungen, Nutzungserweiterungen, gerade als Tagungsstätten oder Hotels, ersetzen und ergänzen vielerorts die früheren Einnahmequellen.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt die Eigentümer beim Erhalt ihrer Anwesen, weil der kontinuierliche Aufwand die geschichtsträchtigen Bauten in die Zukunft zu tragen, Unterstützung und Hilfe verdient. Trotz aller Anstrengung und dem persönlichen Engagement der Denkmalbesitzer, die oftmals viel Herzblut investieren, sind mancherorts deren Kräfte überfordert.

Auf den ersten Blick symbolisieren Herrschaftliche Bauten Besitz und Vorrangstellung früherer Jahrhunderte. Doch es gibt auch andere ungewöhnliche Entstehungsgründe. Das war beispielsweise beim Grafenhaus Herrnhaag in Büdingen der Fall.

Nach der Verbrennung des Reformators Johannes Hus auf dem Konstanzer Konzil 1415 spalteten sich die nach ihm benannten Hussiten in zwei Parteien, die Böhmische Brüder genannt wurden. 1722 kamen Böhmische Brüder auf das Gut des Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf im Oberlausitzer Ort Berthelsdorf. Außerhalb des Dorfes gründeten sie die Siedlung Herrnhut. 1727 wurden die Herrnhuter Statuten ausgearbeitet und kurz darauf begann die Weltmission der Gemeinschaft. 1738 gründete die Herrnhuter Brüdergemeine auch auf den Haagberg südwestlich von Büdingen eine Gemeinde. In Herrnhaag entstand für die pietistische Glaubensgemeinschaft bis 1753 eine Siedlung mit 18 Gebäuden für rund 1.000 Menschen. Diese Siedlung gilt als älteste erhaltene Modellanlage einer Herrnhuter Niederlassung, die alle einem festen Bauschema folgen. In ihnen spiegeln sich die religiösen Prinzipien der Gemeinschaft wider.

Die Wohn- und Arbeitsräume der Gemeinschaft, die sogenannten Chöre, liegen um einen quadratischen Platz, der durch zwei kreuzförmig verlaufende Wege in Unterquadrate geteilt wird. Ein Brunnenbauwerk, ein offener Holzpavillon, den ein verschieferter Dachturm mit kleiner Schweifhaube bekrönt, steht im Zentrum des Platzes. An seinen Ecken liegen vier Gemeinschaftshäuser. Hier wurden auch Alleinstehende in unterschiedliche Wohngruppen integriert, damit kein Mitglied der Brüdergemeine alleine leben musste.

Politische Differenzen mit dem Landesherrn zwangen die Gemeinde zur Abwanderung. Nach Abzug der Brüdergemeine wurde die Anlage mehrfach verkauft, bis sie schließlich vom Büdinger Fürsten um 13 Bauten reduziert wurde. Der Fürst richtete sich hier eine Sommerresidenz ein. Später versuchte man, hier neue Manufakturen anzusiedeln. Im 19. Jahrhundert schließlich lebten in Herrnhaag religiöse Flüchtlinge, die von hier aus nach Nordamerika auswanderten. Später wurde der Ort als Steinbruch für die umliegenden Orte genutzt. Die abgerissenen Bauten sind teilweise noch in ihren Fundamenten auf dem Gelände nachzuvollziehen. Selbst barockes Straßenpflaster ist in einigen Bereichen erhalten, ebenso wie Reste des Gottesackers.

Heute bildet die Lichtenburg, das Grafenhaus, das Zentrum der fünf erhaltenen Gebäude. Das Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz liegt an der Nordseite des großen Platzes neben dem Schwesternhaus. Die vier zweigeschossigen Flügel umschließen einen Innenhof. Sie bestehen in den feldseitigen Fassaden aus Bruchstein und in den Hoffassaden auch aus Fachwerk mit Ziegelausfachung. Symmetrische, zum Teil von Natursteingewänden gerahmte Hochrechteckfenster und hochrechteckige Portale mit Oberlichtern prägen die langgestreckten Fassaden. Hohe Mansarddächer mit je acht hochrechteckigen Gauben schließen die Flügel ab. Im Südflügel befindet sich der zweigeschossige Kirchensaal mit seiner aufwendigen Dachkonstruktion mit Tonnendecke und umlaufenden Emporen. Dieser Flügel entstand vor den äußerlich baugleichen West- und Ostflügeln. Auf der Nordseite schließt ein schlichter Fachwerkbau den Hof ab. Im Innenhof befindet sich eine Zisterne mit gemauertem Gewölbe. Mit dem Erhalt des Hauses wird ein wichtiges Zeugnis bewahrt, das für eine ungewöhnliche Ausformung Herrschaftlicher Bauten steht.

1959 gründete sich der Verein der Freunde des Herrnhaag e.V., der 1960 Nordherrnhaag erwarb und mit der Sicherung und Wiederbelebung der Bauten begann. Sie werden unter anderem als Jugendwerkstatt, internationale Begegnungsstätte, für Gottesdienste, Ausstellungen und Konzerte genutzt. Weltweit bekannt macht die Herrnhuter Brüdergemeine übrigens ihr vielzackiger Weihnachtsstern. Die in eins gefügten viereckigen und dreieckigen Zacken sollten zunächst bloß einem besseren Geometrieverständnis dienen. Doch aus dem Mathematikunterricht der Internatsstuben entkam der Stern in die Häuser der Familien – und lässt heute nicht nur Kinderaugen strahlen.

Seit ihrer Gründung vor 40 Jahren förderte die private Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) über 2.130 Maßnahmen an „Herrschaftlichen Bauten“. Die 1985 gegründete spendensammelnde Stiftung unterstützt engagierte private, kirchliche und kommunale Denkmaleigentümer beim Erhalt ihrer Bauwerke. Denkmalpflege als staatliche Aufgabe wird mit bürgerschaftlicher Unterstützung zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Die DSD konnte bisher für den Erhalt von 7.400 Denkmalen unserer Baukulturlandschaft mehr als eine dreiviertel Milliarde Euro zur Verfügung stellen und damit ein deutliches Zeichen setzen. 

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz feiert ihr 40-jähriges Jubiläum
Das Grafenhaus in Herrnhaag bei Büdingen
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