04.11.2025

Deutsche Stiftung Denkmalschutz warnt: Was die geplanten Änderungen des hessischen Denkmalschutzgesetzes bedeuten würden

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Umgehung von Fachlichkeit, mehr politische Einflussnahme, Einführung eines „Klassensystems“ für Denkmale

Nachdem schon im hessischen Koalitionsvertrag Änderungen im Umgang mit Denkmalschutz angekündigt wurden, ist nun ein erster Eckpunkteplan bekannt geworden, welcher die wichtigsten Änderungen im Zuge der geplanten Novellierung des hessischen Denkmalschutzgesetzes erkennbar macht. In Kraft treten soll das neue Denkmalschutzgesetz im Januar 2027.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) kritisiert an den geplanten Änderungen mehrere essenzielle Punkte:

Zurückdrängung von Fachlichkeit und (politischer) Unabhängigkeit
Die praktische Denkmalpflege und die Umsetzung derselben liegt nach aktueller Gesetzeslage grundsätzlich in der Verantwortung der Unteren Denkmalschutzbehörden (UDB). Diese sind als weisungsgebundene Behörde in kommunale Verwaltungseinheiten eingebunden. Spezielle fachliche Anforderungen an die Mitarbeiter sind nicht zwingend vorgeschrieben – sie sind häufig mit Verwaltungsmitarbeitern besetzt. Die fachliche Aufstellung und personelle Ausstattung dieser Behörden sind im Land Hessen insgesamt sehr inhomogen.

Um die unter Umständen weitgehend fachfremden Verantwortlichen fachlich zu unterstützen, werden die UDBs im aktuellen Gesetzesrahmen noch unterstützt und flankiert durch das Fachamt für Denkmalpflege (Landesamt für Denkmalpflege Hessen). Hier arbeiten ausgebildete Denkmalpfleger – die bislang in einem vorgeschriebenen fachlichen Austausch die UDBs beraten und über Maßnahmen konkret mitbestimmen bzw. in bestimmten Fällen auch Einsprüche einreichen und Anrufungen erwirken können.

Die geplante Gesetzesnovellierung sieht nun vor, dass diese fachliche Abstimmung zukünftig nur noch in Ausnahmefällen, und zwar bei Denkmalen „herausragender Bedeutung“ sowie von Denkmalen, die in das UNESCO Welterbe aufgenommen wurden, einvernehmlich erfolgen muss. In allen anderen Fällen liegen denkmalpflegerische Entscheidungen zukünftig ausschließlich bei den weisungsgebundenen Unteren Denkmalschutzbehörden. Diese können, müssen das Fachamt jedoch nicht mehr anhören. Wirksame Mitwirkungsmöglichkeiten hat das Landesamt für Denkmalpflege - und damit die ausgewiesenen Denkmalexperten - dann allerdings nicht mehr.  

Dies bedeutet aus Sicht der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in der Praxis

  • den großflächigen Verlust fachlicher Expertise bei der Beratung und Lösungsfindung von und mit den Denkmaleigentümern sowie
  • den Wegfall fachlich unabhängiger Eingaben und Interessensvertretung – unbeeinflusst von politischen Zielen der Kommunalpolitik, in welche die UDBs eingebunden sind.

Denkmalschutz in Hessen wird hierdurch bedroht, durch weisungsgebundene Entscheidungswege zum politischen Spielball zu werden und an fehlender Expertise zu scheitern. Hiervon betroffen wären voraussichtlich vor allem die vielen „Alltags“- Denkmale, die das Gesicht von Städten und Dörfern maßgeblich prägen.

Klassifizierung von Denkmalen auf Basis nicht transparenter Kriterien oder Anforderungen
Das neue hessische Denkmalschutzgesetz sieht eine Trennung von Denkmalen in unterschiedliche „Klassen“ vor: „herausragende“ Denkmale, die weiterhin eine fachliche Begleitung durch das Landesdenkmalamt erfahren sollen, wohingegen die restlichen Denkmale eine reduzierte Fachlichkeit, eine Standardisierung oder gar den Total-Entfall praktischer Schutzauflagen zu erwarten haben.

Zweifellos können Denkmale unterschiedlich komplex und bedeutend sein – auch in den denkmalpflegerischen Herausforderungen und Behandlungen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz begrüßt es grundsätzlich, wenn Denkmale nach diesen unterschiedlichen Anforderungen auch eine differenzierte fachliche Begleitung und Förderung erfahren. Dabei sollte allerdings grundsätzlich gelten: je komplexer, desto mehr Expertise braucht ein Denkmal – und nicht: je bekannter – desto mehr denkmalfachliche Expertise!

Die im Eckpunktepapier nun vorgenommene Klassifizierung von Denkmalen von „herausragender“ Bedeutung“ scheint sich jedoch vor allem auf Bekanntheitsgrad und Strahlkraft, weniger auf denkmalpflegerische Herausforderungen des Einzelobjektes zu beziehen. Konkrete Denkmale, die als „herausragend“ im Koalitionsvertrag oder im Eckpunktepapier benannt werden sind beispielsweise das Kloster Eberbach, das Landgrafenschloss Marburg, der Staatspark Wilhelmsbad sowie Denkmale, die ins UNESCO-Welterbe-aufgenommen wurden. Ein Kriterienkatalog, welcher für eine UNESCO- unabhängige Klassifizierung „herausragender Denkmale“ herangezogen wurde, wird nicht genannt.

Aus Sicht der DSD ist ein stufiges Vorgehen bei der denkmalpflegerischen Einbeziehung des Fachamtes durchaus möglich – doch sollte die spezifische denkmalpflegerischen Betreuung vor allem von denkmalpflegerischen Herausforderungen und Komplexitäten des Objektes abhängig gemacht und die jetzige Versorgung nicht noch weiter zurückgefahren werden. Es gibt jedoch auch zahlreiche Denkmale, die unbekannter sind, jedoch besondere denkmalpflegerische Herausforderungen darstellen. Diese sind nun bedroht, durch fehlende fachliche Beratung und Lösungskompetenzen unter Umständen tiefgreifende und nicht mehr rückgängig zu machende Schäden durch Standardlösungen oder gar durch den Entfall von denkmalpflegerischen Auflagen bei sog. „genehmigungsfreien Maßnahmen“ zu erfahren. Die Denkmale, die aufgrund dieser Klassifizierung zukünftig noch eine Betreuung durch das Fachamt zukommt, dürfte schätzungsweise bei deutlich unter 10% des hessischen Denkmalbestandes liegen – für den Rest entsteht eine fachliche Unterversorgung, es werden wohl im Regelfall Minimallösungen gelten. Dies kann auch erhebliche Mehrkosten für Denkmaleigentümer bedeuten.

Die Absicht, vor allem Standardlösungen und -Maßnahmen auf die Breite der Denkmale anwenden zu wollen, ist nicht etwa pragmatisch, „schlank“ oder weniger bürokratisch, sondern birgt aus Sicht der DSD eine massive Gefahr des faktischen Verlusts von Denkmalwerten.
Ziel muss es daher bei der Neufassung des Denkmalschutzgesetzes sein, mindestens den jetzigen Standard an Fachlichkeit beizubehalten – und diesen da gezielt zu stärken und dort noch zu intensivieren, wo es besonderes Expertenwissen braucht.

„Denkmalschutz wird immer dann aktiv, wenn es darum geht, Denkmalen zu helfen. Also dann, wenn sie zu „Patienten“ werden – weil sie sanierungsbedürftig sind oder bauliche Eingriffe für ihren Erhalt oder aufgrund von Nutzungswünschen des Eigentümers erforderlich werden. Man könnte Denkmalpfleger also auch als „Ärzte“ für unsere Denkmale bezeichnen – die Spezialisten des Fachamtes entsprächen in diesem Bild „Fachärzten“.
Unserer Meinung nach sollten Fachärzte auch den „kleinen“, nicht nur den „herausragenden“ Denkmalen zur Seite gestellt werden, wenn es sie braucht!“

(Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz)

Die DSD befürchtet, dass die geplante Gesetzesänderung einen faktischen Totalverlust des Schutzes vieler ortsbildprägenden Denkmalen sowie eine gestiegene Anzahl an Denkmalabrissen und nicht denkmalgerechten Umbauten bedeuten wird und warnt eindringlich vor den geplanten Fehlregelungen.

Begrüßenswert an den geplanten Änderungsabsichten sind aus Sicht der DSD die Pläne, das Denkmalverzeichnis zukünftig vollständig digital einsehbar zu gestalten. Auch die Digitalisierung von Antragsverfahren und eine hierdurch zu erwartende beschleunigte Bearbeitungszeit begrüßt die DSD.


Hintergrund:
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) ist die größte private Initiative für Denkmalschutz in Deutschland. Sie setzt sich kreativ, fachlich fundiert und unabhängig für den Erhalt bedrohter Denkmale ein. Ihre vielfältigen Aktivitäten reichen von pädagogischen Schul- und Jugendprogrammen bis hin zur bundesweiten Aktion „Tag des offenen Denkmals®“. Seit 2025 veröffentlicht die Stiftung jährlich das „Schwarzbuch der Denkmalpflege“. 
Insgesamt konnte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dank der aktiven Mithilfe von über 200.000 Förderern bereits rund 7600 Denkmale mit mehr als einer dreiviertel Milliarde Euro in ganz Deutschland unterstützen. Sie finanziert ihre Arbeit vor allem durch private Zuwendungen und Spenden. 
 

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