Schönheit ist kein Kriterium für Denkmale

Interview mit Jan Ermel

Jan Ermel ist Historiker, Architekturkenner und tätig für die DenkmalAkademie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Warum sind auch Bauwerke der Nachkriegszeit, die von vielen als „hässlich“ empfunden werden, häufig dennoch erhaltenswerte Denkmale?

Begriffe wie schön, hässlich oder grauenhaft sind individuelle Geschmacksäußerungen und kein Kriterium für die Kunstgeschichte, schon gar nicht für Denkmalpflege, die ja zur Aufgabe hat, möglichst aus allen abgeschlossenen Epochen der Baukunst typische und charakteristische Beispielbauten für die Nachwelt zu erhalten. Gebäude oder Gebäudeensembles werden nach festen Kriterien unter Denkmalschutz gestellt, sei es ein Wohnhaus aus den 1950er Jahren, das an Ideen des Neuen Bauens angelehnt ist, ein Schulgebäude der 1960er Jahre, das neue Reformideen im Bereich der Erziehung dokumentiert, oder ein Rathaus aus den 1970er Jahren im Stil des Brutalismus, der von der Verwendung des „Echten“, des rohen Betons und der Sichtbarkeit „unverzierter“ Konstruktions- und Bauelemente überzeugt ist.

Gibt es innerhalb der Bauten dieser Zeit aus denkmalpflegerischer Sicht qualitative Unterscheidungen?

Der Denkmalschutz ist einheitlich, d.h. es gibt keinen höheren oder bedeutenderen Schutz beispielsweise für mittelalterliche Kirchengebäude. Ein Baudenkmal ist ein Baudenkmal. Jedoch sind sowohl Sakralbauten als auch öffentliche Gebäude seit der Nachkriegszeit häufig deutlich repräsentativer gestaltet als Wohngebäude oder reine Nutzbauten der Wirtschaft und der Verkehrstechnik.            

Welche Besonderheiten gibt es bei der Restaurierung jüngerer denkmalgeschützter Bauten hinsichtlich der Materialien?

In der Erbauungszeit neu verwendete Materialien wie Metalllegierungen oder die verschiedensten Kunststoffe, natürlich auch der fast überall verwendete Beton sowie weitere komplexe Verbindungen, erfordern ein enormes Materialwissen und Kenntnisse zur Erhaltung oder Instandsetzung. Schwierig können dann Materialien sein, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr anwendbar oder nicht mehr verfügbar sind. Zeitintensiv und teuer sind auch Instandsetzungen von stahlbewehrten Betonen.

Was fasziniert Sie persönlich an Denkmalen der Nachkriegsjahrzehnte?

Mit der Verwendung verschiedener moderner Materialien fanden in den letzten 70 Jahren neue  Ideen im Baugeschehen eine Aufnahme. Gerade der Stahlbeton mit der Spannbreite von filigranen zu brachialen Bauten ist immens. Die oft plakative Verwendung von Farben und Formen zeigt einen bis dahin nicht gekannten Reichtum an Gestaltung. Bauen wurde demokratischer, Bauschaffende zahlreicher, ebenso wie die Auftraggebenden. Zusätzlich sind die Bauaufgaben der letzten sieben Jahrzehnte immer umfangreicher geworden. Große Universitätsbauten, Produktionsstätten und Verkehrsbauten zeugen davon.

Wie schafft es die Gesellschaft, auch in Zukunft die charakteristischen Bauten der jeweiligen Epochen zu erkennen, zu erhalten und unter Schutz zu stellen?

Die Faszination der Denkmalpflege besteht in der enormen Vielfalt und Vielgestalt der zu schützen-den Bauten und Ensembles bis hin zur gestalteten Natur in Gärten und Parks sowie archäologischen Bereichen. Wobei der zeitliche, oft auch inhaltliche Abstand erst die Qualität und das Typische der Bauten erkennen lässt. Doch gerade die heutige beschleunigte Zeit gefährdet viele Bauten, die häufig nicht die Möglichkeit haben, Kulturdenkmale zu werden, weil sie vorher bereits wieder abgerissen wurden. Eine Chance wäre – auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit – eine Kreislaufwirtschaft im Bauen, die vorrangig erhält, pflegt, ertüchtigt und gegebenenfalls eben auch schützt.

Lassen Sie uns gemeinsam Denkmale erhalten!

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