Dom
Halberstadt, Sachsen-Anhalt

Dom

Französische Gotik im Harzvorland

Kurz nachdem die Karolinger im 9. Jahrhundert sächsisches Territorium im nördlichen Harzvorland erobert hatten, wurde im hier neu gegründeten Bistum mit dem Bau einer Domkirche begonnen. Nur knapp einhundert Jahre nach Fertigstellung der karolingischen dreischiffigen Basilika stürzte diese ein, so dass unter den Ottonen eine neu Kirche errichtet wurde. Doch auch diese stand nicht lange: Nachdem 1179 der ottonische Dom abgebrannt war, wurde 1220 der Nachfolgebau geweiht, jedoch - wohl in Konkurrenz zum Magdeburger Dom - plante man bereits einen erneuten Neubau. Beginnend 1239 mit der Westfassade wurde der Kirchenbau von einer zisterzienserischen Bauhütte ausgeführt. Nach einer einschneidenden Planänderung Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der Dom einheitlich errichtet, auch wenn er erst 1491 geweiht wurde. Er gilt mit seiner reichen Ausstattung als der am stärksten von der nordfranzösischen Gotik beeinflusste Bau Sachsen-Anhalts. Es grenzt an ein Wunder, dass der Halberstädter Dom noch heute als Gesamtkunstwerk erlebbar ist. Im April 1945 ging die Altstadt von Halberstadt fast komplett unter, auch der Dom wurde durch zwölf Bombentreffer stark beschädigt, doch unternahm die Denkmalpflege der DDR umfangreiche Maßnahmen zum Erhalt des besonderen Bauwerks.

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Mittelalterliche Sakralkunst vom Feinsten

Nachmittelalterliche Änderungen des Innern des Doms unterblieben - anders als bei vielen vergleichbaren Kirchen. So lässt sich auch heute noch eine geradezu mystische Raumatmosphäre dieser gotischen Kathedrale erleben, die durch die mittelalterlichen Glasmalereien noch unterstrichen wird. Die Darstellungen der bunten, durch Bleiruten verbundenen Glasscheiben, werden erst durch den Lichteinfall erkennbar. Die durchscheinende, diaphane Wirkung der Glasfenster, die die Wandflächen ersetzen, hat durch die mystische Gleichsetzung von Licht und Gott nicht nur künstlerische, sondern auch theologische Deutungen erfahren.

Auch die im Chorscheitel liegende Marienkapelle ist in ihren schlichten hochgotischen Formen in diffuses, gebrochenes Licht von fünf Fenstern getaucht. Im Achsfenster findet sich eine um 1335 entstandene Darstellung der sogenannten Wurzel Jesse: aus dem Körper der alttestamentarischen Figur Jesse entwächst der Stammbaum Jesu. Von diesem Baum gerahmt werden Darstellungen mit Szenen aus dem Leben Jesu und Szenen des Alten Testaments. Zwischen den Fenstern sind als Pfeilerfiguren aus der Zeit um 1370 Maria und die Heiligen drei Könige dargestellt.

Zu den kostbaren Ausstattungsstücken gehört die monumentale Triumphkreuzgruppe von 1220/30. Als Vorbild für die Kreuzigungsgruppe diente sicherlich die Kreuzigung auf einer byzantinischen Weihbrotschale im Domschatz. Auf dem beidseitig skulptierten Tragebalken sind neben dem Gekreuzigten die Muttergottes, Johannes und zwei Seraphime dargestellt. Die Plastizität der Figuren nimmt bei den Assistenzfiguren ab. Der Gekreuzigte ist als Viernageltypus auf ein Kreuz mit Dreipaßendungen geheftet. Im Hochchor befinden sich zwei eiserne Kronleuchter aus vier nach oben kleiner werdenden Reifen, die gitterartig durchbrochen sind. Als Kerzenhalter dienen Türmchen. Sie stammen aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts.

Domschatz aus Konstantinopel

Der Kirchenschatz des Halberstädter Domes umfasst Kunstwerke aus der Zeit vom 5. bis zum 16. Jahrhundert. Die Spätantike, Byzanz, die islamische Kunst der Fatamiden, die Staufferzeit und deutsche Kunstwerke der romanischen und gotischen Periode trugen zur Vervollkommnung der Sammlung bei, die einen hohen internationalen Rang besitzt.

Begründet wurde der Domschatz mit Kostbarkeiten, die der Halberstädter Bischof Konrad von Krosigk 1204 vom „vierten Kreuzzug“ aus Konstantinopel mitbrachte. Dem Kreuzzug hatte sich von Krosigk in Venedig angeschlossen, nachdem er für Papst Innozenz III. unbequem geworden war und dieser ihn mit dem Kirchenbann belegt hatte. Er wollte ins Heilige Land nach Jerusalem, doch segelte die Gesellschaft über Kroatien in die Hauptstadt des byzantinischen Reiches Konstantinopel, eroberte und plünderte sie. Auch Konrad von Krosigk ergatterte wertvolle Schätze und Reliquien, für die er nach seiner Rückkehr nach Halberstadt gefeiert wurde - nachdem der Papst 1205 den Bann wieder aufgehoben hatte. In der Folge kamen Besucher in die Stadt, die Geld brachten und den Schatz anwachsen ließen. Zwölf Stücke aus Krosigks Beute sind heute noch erhalten. Bis heute beeindruckt die vergoldete und aufwendig gestaltete byzantinische Weihbrotschale, die zwischen 1050 und 1190 gefertigt wurde. Zudem sind ein Splitter des Kreuzes Jesu, wertvoll eingefasst, und ein Konsulardiptychon - eine aufklappbare Tafel mit Elfenbeinschnitzereien aus dem Besitz eines römischen Konsulars aus dem Jahr 416 in Ravenna - Publikumsmagneten des Domschatzmuseums. Dass die Kostbarkeiten noch in diesem Umfang vorhanden sind, ist wohl dem seltenen Kuriosum zu verdanken, dass nach der Reformation 1591 sowohl katholische als auch evangelische Domherren Mitglieder des Domkapitels waren. Die evangelischen Domherren sorgten dafür, dass die Stücke nicht mehr verwendet wurden, während die katholischen darauf achteten, dass man sie nicht veräußerte, sondern sorgfältig verwahrte.

Seit 1993 engagiert sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für den Halberstädter Dom. Verschiedene Restaurierungsarbeiten konnten bereits durchgeführt werden, vor allem die Pflege des Domschatzes war hier das Anliegen der Stiftung.

Langgestreckte gotische Basilika mit Doppelturmfassade, Querschiff und Umgangschor, 1239-1491, Wiederaufbau 1946-56, Förderung 1993, 1995-99, 2001/02, 2007, 2009, 2011/12

Adresse:
38820 Halberstadt
Sachsen-Anhalt