Häufig gestellte Fragen zur Denkmalpflege

1. Warum lohnt es, sich für Denkmalpflege zu engagieren?

Bauwerke und vor allem die als Denkmale ausgewiesenen Zeugnisse historischer Architektur prägen das Lebensgefühl der Menschen in besonderer, ganz anschaulicher und unmittelbarer Weise. Für Einheimische stellen sie Vertrautheit her, rufen Traditionen wach und vermitteln ein Gefühl von Heimat. Für Touristen machen regionaltypische und unverwechselbare Ortsbilder ebenso wie die großen Monumente, die jede Kulturlandschaft prägen, den Reiz einer Stadt oder Region aus. An Denkmalen lassen sich historische Ereignisse und Entwicklungen ablesen, dabei wird ihnen gar die Eigenschaft zugesprochen, Identität zu stiften. Deshalb geht es auch alle etwas an, wenn über Sanierung, Umnutzung oder Abriss von Gebäuden diskutiert wird, die für uns wichtig sind – und dies unabhängig davon, ob es sich um Privathäuser oder öffentliche Bauten handelt.

In der Vergangenheit haben Initiativen und Vereine mit Erfolg unter Beweis gestellt, dass es sich lohnt, für die Erhaltung historischer Bauten zu streiten und sich einzumischen. Die Denkmalbewegung ist in Europa seit ihren Anfängen getragen von einem starken bürgerschaftlichen Engagement, das sich in Altertumsvereinen, in Organisationen des Heimatschutzes und seit den 1970er Jahren vermehrt in Bürgerinitiativen organisiert hat. Bürger waren es, die sich im 19. Jahrhundert für einzelne, in ihrem Wert noch keineswegs anerkannte Bauwerke einsetzten (z.B. die preußische Marienburg), die Veränderungen an Denkmalen forderten oder zu verhindern suchten (Heidelberger Schloss, Kölner Dom). Mit ihrem Wirken wiesen sie auch immer wieder über das Aktionsfeld der Denkmalpflege hinaus, entdeckten das historische Stadtquartier genauso wie von Stilllegung betroffene Industriebauten. Ohne die Proteste von Bürgerinitiativen wären in den 1970er Jahren noch weitaus mehr Gründerzeithäuser dem Bagger zum Opfer gefallen, und ohne öffentlichen Widerspruch wären auch jüngst der Abriss des Kölner Schauspielhauses, des Hannoverschen Landtages oder der Bonner Beethovenhalle nicht abzuwenden gewesen. Das gemeinsame Handeln in unterschiedlicher Weise betroffener Bürgerinnen und Bürger hat das gesetzlich fixierte Erhaltungsinteresse an Denkmalen in diesen Fällen erfolgreich zur Geltung gebracht und damit auch die Denkmalpflege an sich gestärkt.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz steht in dieser langen Tradition und versteht sich als die größte private Initiative für Denkmalpflege in Deutschland. Bei der Bewahrung von Denkmalen und historischen Kulturlandschaften zielt sie nicht nur auf Förderung bestimmter Bauwerke, sondern vermehrt auch auf eine aktive Mitwirkung bei städtebaulichen oder denkmalrelevanten Entscheidungen (Stichwort: Partizipation). Hier gilt es, neue Formen des Miteinanders zu entwckeln und neue Wege der Denkmalvermittlung auf den Weg zu bringen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat sich auch in diesem Sinn zur Aufgabe gemacht, das allgemeine Bewusstsein für den Denkmalschutz zu fördern. Beispielsweise mit ihren Ortskuratorien gestaltet sie diesen Bereich aktiv mit.

2. Welche Werte repräsentieren Denkmale?

Bis ein historisches Bauwerk zum Denkmal wird, erfolgt im Zuge der Inventarisation eine umfas-sende historische und kunsthistorische Beschäftigung mit ihm, die in den Akt der Unterschutzstellung mündet. Dabei spielen Denkmalwerte und so die Bewertung des Vorhandenen eine wesentliche Rolle. Welche Bedeutung einem Bauwerk zugesprochen wird, repräsentiert auch jeweils aktuelle gesellschaftliche Werte, die mit dem historischen Zeugnis in Verbindung gebracht werden. Das können historische, wissenschaftliche oder künstlerische Werte sein, die Denkmalwürdigkeit kann aber auch unter Bezug auf lokale Erinnerungen und Symbolwerte festgestellt werden – und dies in positiver wie negativer Hinsicht (Stichwort: unbequeme Baudenkmale).

Entgegen der landläufigen Meinung müssen Bauwerke keineswegs schön sein, um als Denkmale Anerkennung zu finden, sie müssen auch nicht in originaler Vollständigkeit und Harmonie überkommen sein. In der jüngeren Vergangenheit haben auch solche Bauten Denkmalstatus erhalten, die an negative Phasen der Geschichte erinnern und deren besonderer historischer Ort der Gegenwartsgesellschaft als erhaltenswürdig erscheint (z.B. Bauten und Stätten aus der Zeit des Nationalsozialismus). Denkmalwerte sind aufs Engste verknüpft mit den Werten der jeweiligen Gesellschaft, die die Auszeichnung historischer Bauwerke aus der Masse des Gebauten vornimmt. Im 19. Jahrhundert waren es vorzugsweise große Monumente, die Anerkennung fanden: Schlösser, Burgen, Kirchen und Klöster, Rathäuser und Stadtmauern. Erst an der Wende zum 20. Jahrhundert entdeckte die sich allmählich demokratisierende Gesellschaft auch die Erhaltenswürdigkeit von Zeugnissen des Alltagslebens, von Wohnbauten, Ensembles und frühindustriellen Produktionsstätten. Infolge von europäischer Einigung und fortschreitender Globalisierung erfahren Errungenschaften anderer Kulturen Beachtung und zunehmend auch solche Zeugnisse, die als nationenübergreifende Architekturleistungen (z.B. Straße der Backsteingotik, Jakobsweg) zu verstehen oder auf transkulturelle Einflüsse (z.B. europäisches Kulturerbe) zu-rückzuführen sind. Alle Denkmale aber werden nicht nur für die gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen erhalten – in diesem Sinne sind sie Archivalien, Wissensspeicher auch für Fragen all der Menschen, die uns nachfolgen und aus diesem Grund möglichst authentisch zu überliefern.

Einverständnis über die Zeugnisse zu erzielen, denen Schutz gewährt werden muss, ist in der heutigen pluralistisch organisierten Gesellschaft schwieriger geworden. Nicht nur spielen individuelle Wertsetzungen eine immer größere Rolle, auch die Akzeptanz institutioneller Entscheidungen ist deutlich gesunken. Die amtliche Denkmalpflege sieht sich angesichts dieser Entwicklungen gefordert, ihre Interessen intensiv und publikumswirksam zu vermitteln – ein Anliegen, das die Deutsche Stiftung Denkmalschutz von Beginn an zu ihren Kernaufgaben zählt.

3. Wie wirkt sich gesellschaftlicher Wandel auf die Denkmallandschaft aus?

Der Fall des Eisernen Vorhangs markierte 1989 den Startschuss für die Wiedervereinigung des geteilten Landes und verband sich mit gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen, die auch auf die Denkmallandschaft weitreichende Auswirkungen hatten. Genauso wirken sich etwa die Globalisierung der Märkte, die Verlagerung wirtschaftlicher Zentren, demografischer Wandel und Migration in ihren Folgen auf die Chancen auf Denkmalerhalt aus.

So führt beispielsweise die Binnenwanderung gleichermaßen zu Verdichtung wie zur Entleerung von Lebensräumen. In den Ballungszentren erhöht sich der Anpassungsdruck auf historische Bauten dabei in ähnlichem Maße wie in den sich entvölkernden Gebieten. Bewirken die Umstrukturierungsprozesse im einen Fall die Bereitschaft zur Preisgabe von Historischem, um Raum für innovative Nutzungen, neue Verkehrsanlagen oder Verkaufsflächen zu schaffen, so erfordern sie im anderen Fall sinnvolle Konzepte und Finanzierungsmodelle zur Revitalisierung. Betroffen sind vor allem Zeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts: denkmalwürdige Fabrikanlagen, Schul- und Wohnbauten, Bahnhöfe sowie Kirchen und Verwaltungsgebäude der Nachkriegszeit. Die latente Alterung der Bevölkerung verschärft diese Problematik regional weiter. Seit dem Jahr 2000 wird vermehrt darüber diskutiert, wie viele Denkmale und wie viel Denkmalpflege sich unsere Gesellschaft leisten will und kann; Bereinigungen von Denkmallisten oder Bestrebungen zur Novellierung von Denkmalschutzgesetzen sind die Folge. Das neue Nachdenken über den Wert des Alten vollzieht sich zu einem Zeitpunkt, wo die zunehmende Internationalisierung der Architektur die Bedeutung historischer Bauten im Bild von Städten und Gemeinden in besonderer Weise unterstreicht. Entgegen dem allgemeinen Vertrautheitsschwund und zunehmender Anonymisierung verweisen Denkmale auf das Einzigartige, das Unverwechselbare und Beständige, sie markieren die Identität eines Ortes und sind damit für eine im Wandel begriffene Gesellschaft unverzichtbar. Nicht zuletzt deswegen konzentriert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ihre Förderung auch nicht auf die wenigen Ballungszentren, sondern unterstützt die Erhaltung von Denkmalen und historischen Kulturlandschaften gerade auch in strukturschwachen Regionen.

4. Sind Denkmale wiederholbar?

Auf diese Frage gibt es eine klare Antwort: sie sind es nicht.

Umbruchzeiten sind erfahrungsgemäß begleitet von dem Wunsch nach einer heilen Welt, nach der Bewahrung des Bekannten und Beständigen, nach dem, was Identität und Dauerhaftigkeit vermittelt. Die Geschichte und ihre Zeugnisse bieten Halt, wo die Gegenwart vielfältige Unsicherheiten birgt. Viele Bürger engagieren sich gegenwärtig deshalb besonders für die Wiedergewinnung historischer Bauten und Stadtbilder, die im Zweiten Weltkrieg oder im Zuge des Wie-deraufbaus zerstört wurden. Bei diesem Engagement geht es allerdings nicht um Denkmalpflege.

Wir erleben gegenwärtig eine Renaissance des Historischen – Mittelaltermärkte und Retro-Stile sind dafür ebenso symptomatisch wie der Rückbezug auf überkommene Architekturformen. Die Freude am Erleben alter Städte und Kulturlandschaften ist ein Motor für den Tourismus – kaum ein Reiseprospekt, der nicht mit historischen Bauwerken als städtischen Wahrzeichen um Besucher wirbt. Die verbreitete Zuwendung zur Geschichte ist dabei aber nicht gleichbedeutend mit einer steigenden Fürsorge für Denkmale und historische Stätten. Das Gegenteil ist oft der Fall. Dank hoch entwickelter Technologien ist es immer einfacher geworden, verlorene Bauten zu reproduzieren und in das mehr oder weniger veränderte Stadtgefüge wiedereinzugliedern. Den meisten Rekonstruktionsbefürwortern geht es dabei nicht um den (ohnehin unerfüllbaren) Wunsch, ein historisches Zeugnis 1:1 wiederzubeleben, sondern um die Symbolkraft des Historischen, um eingeprägte Erinnerungsbilder.

So werden oft nur die Fassaden historischer Bauten rekonstruiert und modernen Funktionsbaten vorgeblendet (z.B. Frankfurter Römer, Rathaus in Wesel, Schlösser in Potsdam, Berlin oder auch Braunschweig). Solche Zitate von Denkmalen finden in der Öffentlichkeit vielfach hohe Wertschätzung, signalisieren sie doch die Korrigierbarkeit von Geschichte und ersetzen vermeintlich unschöne oder unbequeme Seiten des kulturellen Erbes – Spuren von Verlusten und Zerstörungen, von Armut, Leid und Neubeginn. Rekonstruktionen versprechen auch da Kontinuität und historische Beheimatung, wo gravierende Brüche solchen Wunschbildern entgegen-stehen.

Anders als die rekonstruierten Bilder von Geschichte stehen Denkmale indes für das wirklich Alte und Authentische, mit all seinen materiell erfahrbaren Nutzungs- und Gebrauchsspuren und vielfältigen Hinweisen auf das Überdauern der Dinge in der Zeit. Deshalb hat es sich die Deut-sche Stiftung Denkmalschutz zum Ziel gesetzt, die Erhaltung authentischer historischer Bauwerke zu fördern und sich nicht für Rekonstruktionsprojekte zu engagieren, selbst wenn sie sich großer öffentlicher Zustimmung erfreuen. Die Wiederherstellung von teilzerstörten Kulturdenkmalen unterstützt sie indes dann, wenn dadurch originale Substanz gesichert wird und die Maßnahmen für das Verständnis des Baudenkmals unverzichtbar sind.

5. Wie sollten Ergänzungsbauten an Baudenkmalen geplant werden?

Kein Baudenkmal kann sich wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Wandel entziehen. Geän-derte Komfortansprüche der Eigentümer, neue Nutzungen, neue Vorschriften mit Blick auf Brandschutz oder Barrierefreiheit können dazu führen, dass Neubauten an das Denkmal ange-fügt werden, um das Denkmal selbst zu entlasten. Für solche Ergänzungsbauten – für die es in der Baugeschichte eine lange Tradition gibt – muss eine angemessene Architektursprache ge-funden werden. Bei größeren Objekten bieten sich Architekturwettbewerbe an. Bei kleinen priva-ten Bauvorhaben ist eine gute Beratung des Bauherren in Bezug auf die Wahl eines geeigneten, in Denkmalbelangen geschulten Architekten dringend zu empfehlen.

Die Förderpraxis der Deutschen Stiftung Denkmalschutz nimmt gemäß ihrer Richtlinien das Baudenkmal in seiner Originalsubstanz in den Fokus und schließt die direkte Beteiligung am Neubau aus. Dennoch wirkt das Baudenkmal mit den Erweiterungsbauten als Ganzes. Insofern muss bei der Auswahl der Förderprojekte auch der Neubau in die Beurteilung einbezogen wer-den. Dabei kann der Artikel 13 der Charta von Venedig von 1964 nach wie vor Anwendung fin-den: "Hinzufügungen können nur geduldet werden, soweit sie alle interessanten Teile des Denkmals, seinen überlieferten Rahmen, die Ausgewogenheit seiner Komposition und sein Ver-hältnis zur Umgebung respektieren."

Unerheblich bleibt dabei, ob beim Neubau in regional verankerten, traditionell handwerklichen Techniken gebaut wird oder unter Verwendung bauindustrieller Techniken und Baustoffe. Wei-terbauen erfordert von den Baubeteiligten ein großes Maß an Erfahrung und Stilsicherheit sowie solide Grundlagenermittlung und einen angemessenen Planungsvorlauf.

Wichtige Entscheidungskriterien bei der Beurteilung von neuer Architektur am Denkmal sind:

•    Der substanzielle Eingriff in die denkmalwerte Bausubstanz muss auf ein Minimum reduziert werden.

•    Das Denkmal muss in seinem städtebaulichen Zusammenhang erlebbar bleiben.

•    Planung und Entwurf müssen eigenständig und anspruchsvoll sein. Ziel ist es, eine architektonisch gut gestaltete Einheit aus Denkmal und Neubau zu schaffen, die bis in die De-tailgestaltung hinein wirkt und sich an der vorgegebenen Qualität des Baudenkmals misst.

•    Der ursprüngliche Charakter des Denkmals und seine ursprüngliche Nutzung sollen auch bei Ergänzungsbauten erkennbar bleiben (so erfordern beispielsweise technische Denkmale eine andere Gestaltung als Fachwerkhofanlagen).

•    Zeitgemäße Architektursprache und Verwendung moderner Baustoffe sind keine zwingenden Kriterien.

6. Kann man Denkmale weiter- und auch umnutzen?

Umnutzung ist der Regelfall in der Geschichte eines Bauwerks, die meisten sind von unter-schiedlichen Eigentümern in ihrer baulichen Substanz geprägt worden. Finden sie dann irgendwann Anerkennung als Denkmale, unterstehen sie staatlichem Schutz, der das Konservieren des Vorhandenen prinzipiell höher wertet als etwaige Veränderungen der baulichen Substanz. Das ist aber keineswegs gleichbedeutend mit der viel zitierten musealen Käseglocke, die die Denkmalpflege historischen Bauten vermeintlich überstülpt. Im Gegenteil: Seit jeher ist es eines der Hauptanliegen der Denkmalpflege, historische Bauwerke in Nutzung zu halten, da nur so ihr Überdauern langfristig gewährleistet werden kann. Umnutzungen begleiten Konservierungs- und Restaurierungsanstrengungen seit den Anfängen der institutionalisierten Denkmalpflege.

Im Wesentlichen geht es den Konservatoren darum, mit Eigentümern und anderen Geldgebern dem Denkmal angemessene Perspektiven zu entwickeln und moderne Gebrauchswerte behutsam mit historischen oder künstlerischen Denkmalwerten in Einklang zu bringen. Das Denkmal soll neue Nutzungsansprüche erfüllen können, aber immer noch Denkmal sein – d.h. ein erkennbar gealterter Bau aus vergangener Zeit, dessen ursprüngliche Funktion und Nutzung ablesbar bleibt. Solche denkmalverträglichen Lösungen sucht auch die Deutsche Stiftung Denk-malschutz zusammen mit Eigentümern und Nutzern zu entwickeln und zu fördern (best practice). Dies ist umso wichtiger angesichts einer Praxis, die zum Teil tiefgreifende Einschnitte in die Substanz vornimmt und das Denkmal oft so weit entkernt, dass nur noch seine äußere Hülle bestehen bleibt. In solchen Fällen ist der historische Zeugniswert der fraglichen Bauten erheblich eingeschränkt (z.B. Messe Köln). Im schlimmsten Fall kann ein historisches Gebäude reduziert werden auf seine werbewirksame Fassade (z.B. Frankfurt Hoch Vier).

Die Problematik verschärft sich, wenn Bauten und Ensembles zur Diskussion stehen, deren Denkmalwert in Teilen der Bevölkerung und Politik (noch) keine Anerkennung genießt. Das ist gegenwärtig etwa bei der vielfach ungeliebten Architektur der 1960er und 70er Jahre der Fall, bei der der Wunsch nach Umnutzung oft auf den historischen Ort des Denkmals als solchen zielt, d.h. gleichbedeutend ist mit der Forderung nach Abriss. Unter anderem auf dem Weg der Bewusstseinsbildung wirkt die Stiftung solchen Prozessen entgegen und vermittelt die besonderen Werte auch jüngerer Denkmale

7. Sind Denkmale energetisch tüchtig oder müssen sie ertüchtigt werden?

Angesichts von Klimawandel und schwindenden Ressourcen diskutiert die Gesellschaft seit Jahrzehnten über Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Aktuell stehen die energetische Ertüchtigung der vorhandenen Bausubstanz und damit die Verbesserung der Energiebilanzen von Einzelbauten und Kommunen auf der politischen Agenda. Ein Haus, das hundert Jahre steht, hat seinen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Energieeinsparung längst geleistet. Doch leider sollen Energieeinsparungen auch an Denkmalen vornehmlich durch Maßnahmen zur Wärmedämmung erzielt werden, d.h. auf eine Weise, die das Erscheinungsbild historischer Bauten beeinträchtigt und deren historische wie ästhetische Aussagekraft schmälert. Das gilt in besonderer Weise für Zeugnisse der jüngeren Geschichte, für Wohn- und Siedlungsbauten sowie für öffentliche Gebäude der klassischen wie der Nachkriegsmoderne. Das Denkmalpflege und Umweltschutz gemeinsame Interesse, den rasanten Ressourcenverbrauch zu stoppen, droht bei der Frage nach den dafür geeigneten Wegen auseinanderzubrechen. Geht es beim Umweltschutz vorrangig um die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Stabilisierung des Weltklimas, so zielt der Denkmalschutz auf die Bewahrung der unwiederbringlichen historischen, von Menschenhand gestalteten baulichen Umwelt. Beides hängt zusammen, folgt aber unterschiedlichen Prioritäten.

Denkmalpfleger suchen zusammen mit Handwerk und Baustoffindustrie nicht nur nach Alternativen zu einer zentimeterdicken Verpackung von Fassaden und zu Solaranlagen, die historische Dachlandschaften stark beeinträchtigen, sie weisen auch auf den vergleichsweise geringen An-teil von Denkmalen am gesamten Gebäudebestand des Landes hin und suchen für geschützte Bauten Sonderregelungen zu erwirken.

Deswegen pocht die Deutsche Stiftung Denkmalschutz auch auf intelligente Einzellösungen. Das schweizerische Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft etwa bietet solche Perspektiven. Es zielt auf die Verbesserung der Gesamtenergiebilanz der Kommunen, ohne im Einzelnen festzulegen, auf welchem Wege die Einsparungen zu erzielen sind. Das einzelne Gebäude rückt dabei aus dem Fokus und der energieträchtige Mix aus Verkehr, Produktion, Konsum und Leben ins Zentrum der Analyse. Eine solche "Gesamtbetrachtung" ergibt auch unter historischer Perspektive Sinn: So ist nicht nur der aktuelle Energiebedarf zu betrachten, sondern der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes von der Herstellung und dem Transport der Baumaterialien bis zu dessen eventueller Entsorgung. So gesehen, erweisen sich ältere Bauten geradezu als Musterbeispiele von Ressourcenschonung. Sie liefern aber auch einen weiteren Mehrwert – als "Speicher" zentraler historischer, kultureller und künstlerischer Werte der Gesellschaft.

8. Können auch jüngere Bauwerke Denkmale sein?

Für viele Bauten der Nachkriegszeit stellt sich zurzeit die Frage ihrer Unterschutzstellung. Dadurch sind die Institutionen der Denkmalpflege mit der Paradoxie konfrontiert, dass sie Bau-werke und Großstrukturen auf ihre Denkmalwürdigkeit prüfen müssen, deren Ablehnung in der Zeit um das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 erst den nachfolgenden Denkmalpflegeboom ausgelöst hat. Die fraglichen Bauten galten noch vor wenigen Jahrzehnten als Inbegriff der so-genannten Unwirtlichkeit der Städte, Ensembleschutz und städtebaulicher Denkmalschutz als ihr notwendiges Korrektiv. Eingängige Vorher-Nachher-Bilder dienten dazu, das Bild des Histori-schen als ästhetisch Schönes, Harmonisches und Angemessenes in der Öffentlichkeit zu popu-larisieren und der kritisierten Gegenwartsarchitektur gegenüberzustellen.

Ungeachtet dessen stellen Bauwerke und Großstrukturen der Nachkriegszeit denkmalrechtlich und denkmalkundlich kein gesondertes Problem dar. Ihre schiere Menge und Heterogenität, un-terlassene Bauunterhaltung, veränderte Baunormen, gestiegene Nutzungsansprüche und ihre nach wie vor nur geringe Akzeptanz erschweren aber sowohl die Ausweisung eines öffentlichen Interesses an ihrer Erhaltung als auch die substanzschonende Instandsetzung. Hinzu kommt ein oft enormer finanzieller Aufwand für die Sanierung. Kritisch hat sich die Gesellschaft nicht nur mit dem Umgang mit prominenten Hinterlassenschaften der DDR auseinandergesetzt (Palast der Republik, Marx-Engels-Forum, Lenin-Denkmal), auch der Erhalt des Technischen Rathauses und des Historischen Museums in Frankfurt und die Unterschutzstellung des Großklinikums Aachen, der Kieler Universitätsbauten oder des Elmshorner Rathauses haben zu heftigen fach-lichen wie öffentlichen Kontroversen geführt.

Die Erfahrung zeigt, dass es zumeist des Abstands von einer Generation bedarf, um historische Bauten und Strukturen angemessen beurteilen zu können. Angesichts gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklungen werden Entscheidungen über Erhalt oder Abriss heute oftmals schon früher verhandelt. Und immer wieder drohen selbst solche Bauwerke verloren zu gehen, deren architektonischer, städtebaulicher und materialtechnischer Wert als unstrittig gilt (z.B. ICC Berlin). Die Erwartungen an Denkmale, schön zu sein und von einer besseren Welt zu erzählen, erfüllen viele junge Denkmale in den Augen der Mehrheit oft nicht. Sie sind dennoch wichtige Zeugnisse des Wiederaufbaus nach 1945 und verweisen auf neue und alternative Gesell-schaftskonzepte. Als solche liefern sie unverzichtbare Denkanstöße für das heutige Verständnis von Geschichte und Gegenwart. Das gilt für die zahlreichen Nachkriegskirchen, zeittypische Wohnsiedlungen sowie Industrie- und Kulturbauten gleichermaßen. Deren Hauptvertreter fördert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz seit Jahren mit großem Engagement.