Maria zur Wiese (Wiesenkirche)
Soest, Nordrhein-Westfalen

Maria zur Wiese (Wiesenkirche)

Soest ist vom Grünsandstein geprägt. Ihm verdankt die Fachwerkstadt ihre Besonderheit. Doch zugleich stellt der Baustoff auch eines der größten Probleme dar. Durch seine geschäftstüchtigen Kaufleute und als bedeutender Umschlagplatz auf dem berühmten Hellweg entwickelte sich Soest im 11. und 12. Jahrhundert zu einer großen und wichtigen Stadt. Sie wurde Mitglied im Hansebund und war gleichzeitig bedeutender Außenposten der Kölner Bischöfe. Wie in den anderen Hansestädten waren die Patrizier bestrebt, ihren Handelserfolg durch eine besonders imposante Kirche zu zeigen: In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begann man mit dem Bau von St. Marien zur Wiese, der so genannten Wiesenkirche. Die Formen der Spätgotik sollten es sein, denn gotische Kirchen mit Doppeltürmen zeugten auch andernorts vom Erfolg der Kaufleute. Nur hatte man nicht bedacht, dass der grüne Sandstein, der zuvor schon für die vielen anderen Kirchen in Soest verwendet worden war, dem ehrgeizigen Höhenstreben der Zeit nicht gewachsen war. Die älteren Soester Kirchtürme mögen unterschiedlich geformt sein, doch sie wirken gleich schwer und ernst. Genau das wollten die Erbauer der Wiesenkirche nicht. Hoch hinaus sollte der Baukörper streben und besonders die Doppelturmfassade sollte im aufwendigen Formenkanon der Spätgotik erscheinen. Doch der grüne Sandstein ist mit seinem hohen Tonanteil für solche Extravaganzen nicht geschaffen. So sieht man an den Außenmauern ausgewaschene Zierformen und herabfallende Platten. Vor 20 Jahren beschloss man, dem Zerfall der Kirche mit einem groß angelegten Projekt Einhalt zu gebieten. Eine neue Bauhütte wurde 1990 gegründet. Und trotzdem gibt es immer mehr zu tun, als man leisten kann. Die Kirche ist zu einer Baustelle ohne bestimmbares Ende geworden. Das Geltungsbedürfnis der Kaufleute des 14. und 15. Jahrhunderts wurde zum Problem der nachfolgenden Jahrhunderte. Mit der konfliktreichen Loslösung von Köln, der isolierten Lage als protestantische Stadt im katholischen Umfeld und dem Untergang der Hanse brach der Reichtum im 16. Jahrhundert zusammen. Das Geld reichte noch nicht einmal für die Fertigstellung der Türme: Die Turmschäfte und -helme ab Kirchenschiffhöhe wurden erst im 19. Jahrhundert gebaut. Vergessen sind aber die Probleme, wenn man das Innere der Kirche betritt. Nicht von ungefähr gilt die Wiesenkirche als Vollendung der spätgotischen Hallenkirchen Westfalens. Drei lichte, gleich hohe Schiffe tun sich auf, nur durch schlanke Pfeiler gegliedert. Der Chor ist nicht abgetrennt, sondern in den Hallenraum integriert. Umrahmt wird der Raum mit den hellen, steinsichtigen Mauern und dem weiß gefassten Kreuzrippengewölbe von einer überbunten Glaslandschaft. Die Fensterbahnen reichen fast in ganzer Höhe bis zum Gewölbe. Das bekannteste Fenster mit der Darstellung der Abendmahlszene befindet sich in einem Spitzgiebel über dem Nordportal. Berühmt geworden ist das um 1500 entstandene Fenster mit seinem ausgeklügelten Bildaufbau durch die westfälischen Speisen auf dem Tisch. Das Westfälische Abendmahl wurde bereits restauriert - ein bedeutender, aber letztendlich kleiner Schritt für die Wiesenkirche. Spätestens beim Betreten des Dachstuhls ist die Täuschung über die Leichtigkeit der Hallenkirche vorbei, hier zeigt sie sich als Produkt höchster handwerklicher Baukunst. Man sieht auf Gewölbekappen und Stichmauern, die wie ein steinernes Meer im luftleeren Raum wogen, denn getragen wird alles nur von wenigen filigranen Säulen. Auf jeder lasten tonnenschwere Gewichte. Die Chordachsanierung, die auch eine komplette Neueindeckung vorsah, war neben der Turmsanierung Förderschwerpunkt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und konnte bereits abgeschlossen werden. Eine Verrottung der Dachbalken konnte so verhindert werden. Nun stehen die beiden Türme im Mittelpunkt der Sanierungsmaßnahmen. Steinrisse, Absprengungen und mangelhafte Verfugung gefährden die Statik des Grünsandsteinmauerwerks.

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Gotische Halle mit Hauptchor, Nebenchören und Doppelturmfassade, 1313 vom Baumeister Johannes (Schendeler) begonnen, um 1540 Bauunterbrechung, Turmvollendung und Restaurierung 1846-82, weitere Restaurierungen 1931/32 und 1948-61, Förderung 2005-14

Adresse:
Wiesenstr.
59494 Soest
Nordrhein-Westfalen