Dörfer und Gemeinden im niedersächsischen Marschland dürfen sich Jahr für Jahr über zahlreiche Gäste aus Europa und Übersee freuen. Das Augenmerk eines Teils der Besucher liegt dabei nicht auf der reizenden Landschaft des Wattenmeers, es sind die Dorfkirchen, die als Denkmale einen regen Zulauf haben - unter Orgelliebhabern und -musikern genießt die Region Weltruhm. Seit dem 15. Jahrhundert stifteten die wohlhabenden Bewohner der Nordseeküste kostbare Ausstattungsstücke für ihre Gotteshäuser. Als Nahrungsmittellieferanten von Städten wie Hamburg und Bremen reich geworden, beauftragten die Hofbesitzer und Kaufleute namhafte Künstler und Handwerker mit dem Bau kunstvoller Orgeln. Der berühmte Orgelbauer Arp Schnitger (1648-1719) hinterließ in diesem Landstrich zahlreiche Arbeiten. Unter seinem Einfluss stand auch Dietrich Christoph Gloger (1705-73), der dem Orgelbaustil Schnitgers in klanglicher wie technischer Hinsicht folgte. Auch die Orgel der im Kern mittelalterlichen Kirche St. Severi in Otterndorf stammt aus der Werkstatt Glogers. Das barocke Instrument ist ein fast 300 Jahre altes Kunstwerk und die größte Orgel ihrer Art zwischen Weser und Elbe.
1741/42 wurde die Orgel von Dietrich Christoph Gloger in die
damals gerade umgestaltete Backsteinkirche eingebaut. Hierbei
integrierte Gloger gut erhaltenes Material aus den Vorgängerwerken.
So sind bis heute wertvolle Pfeifen aus dem 16. und 17. Jahrhundert
vorhanden, ein Schatz von hohem Seltenheitswert! Die Gloger-Orgel
beeindruckt nicht nur durch ihr Äußeres, den großen, symmetrisch
aufgebauten Orgelprospekt mit seinem aufwändigen Schnitzwerk. Auch
im Inneren setzt sich die meisterhafte Handwerkskunst fort. Hier
befindet sich die ganze technische Anlage: der Blasebalg, der den
Luftdruck produziert; die Windlade, die die Luft speichert und
verteilt, und die Traktur, die bei Druck auf Tasten und Pedal ein
Ventil öffnet und Luft in die jeweilige Pfeife strömen lässt. Die
Orgel verfügt über drei Manuale und besitzt insgesamt 46 Register,
Gruppen von Pfeifen mit gleicher Klangfarbe. Manche tragen die
Namen alter, fast vergessener Blasinstrumente wie Bartpfeife,
Gemshorn oder Dulcian. Insgesamt 2.676 Pfeifen, die in Etagen
hinter- und übereinander stehen, ermöglichen ein beeindruckendes
Klangbild.
Es ist weniger das Alter der Gloger-Orgel, das für die vielen
Probleme sorgt. Die Gründe liegen vor allem in den misslungenen
Überarbeitungen des 20. Jahrhunderts. Sichtbar werden die Probleme
besonders dann, wenn man hinter den prächtigen barocken Prospekt
schaut und in das Musikinstrument hineinklettert.
1936 baute man zusätzliche Töne im Pedal ein und sortierte die
Register neu. Allein tausend Pfeifen stammen noch aus der
Renaissance- und Barockzeit. Um den neuen Pfeifen Platz zu machen,
wurden die historischen Pfeifen umgestellt und gänzlich verändert:
Sie wurden verkürzt, mit falschem Material verlängert und
dilettantisch repariert. Heute stehen sie so eng, dass der Ton
nicht genug Raum hat, um sich zu entfalten. Jenseits vieler
oberflächlicher Schäden an Gehäuse und Spieltisch besteht darüber
hinaus substanzielle Gefahr für die gesamte Orgel: Die komplette
Konstruktion ist instabil, weil tragende Teile des Gehäuses 1936
entfernt wurden. Schimmelpilz hat sich im Inneren des Instruments
breit gemacht und Materialien wie Holz und Leder befallen.
Problematisch sind auch die vielfach verwendeten Kunststoffkleber,
die sich zunehmend zersetzen und die historische Substanz
angreifen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat die Sanierung
der Orgel unterstützt, damit sie wieder schön erklingen kann.
Erfahren Sie mehr über dieses Denkmal im Online-Magazin Monumente der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mehr