Genau 161,53 Meter misst der Kirchturm des Ulmer Münsters. Damit überragt er nicht nur den Kölner Dom, sondern auch sämtliche andere Kirchen dieser Welt. Errichtet wurde das Gotteshaus mit dem welthöchsten Turm 1377. Seither wurde das gigantische Bauprojekt von Generation zu Generation weitergegeben.
"Über Feld", rund einen Kilometer vor den schützenden
Stadtmauern, stand die damalige Pfarrkirche der Ulmer. Als die
Stadt im Jahr 1376 von Karl IV. besetzt wurde und ständige Unruhen
herrschten, waren es die Einwohner leid, dass ihr Kirchgang zur
Gefahr wurde. Sie beschlossen den Bau einer neuen Kirche – diesmal
innerhalb der Stadtmauern. Zumal die Pfarrkirche auch auf
Reichenauer Grund lag. Die Ulmer hatten folglich kein
Mitspracherecht und sämtliche Spenden flossen geradewegs in die
Kassen des Klosters Reichenau.
Finanziert wurde der Bau des Ulmer Münsters von den Bürgern der
Stadt, die angeblich sogar selbst die Steine dafür trugen. Die
Grundsteinlegung fand am 30. Juni 1377 unter dem damaligen
Baumeister Heinrich II. Parler und dem Bürgermeister Ludwig Krafft
statt. Dabei stand Krafft höchstpersönlich in der – laut dem
Chronisten – "ungeheuren Baugrube". Mit einem Kran wurde ein
riesiger Grundstein in die Grube herabgelassen, die der
Bürgermeister mit hundert Goldstücken bedeckte. Ihm folgten die
Patrizier und zuletzt die Bürger, bevor sie sich anschließend an
den Bau der größten Kirche des Heiligen Römischen Reiches
machten.
Der ursprüngliche Plan stammte von Heinrich Parler. Blickt man
heute auf den imposanten Bau, mag man nicht vermuten, dass es sich
dabei lediglich um ein paar vage Zeichnungen handelte ohne
technische oder statische Bemessungen. Stattdessen berief man sich
auf Erfahrungswerte oder mündlich überliefertes Wissen. Nach
Parlers Tod führte sein Bruder Michael und später sein Sohn –
ebenfalls Heinrich – den Bau weiter. Als dieser Ulm verließ, um in
Mailand zu arbeiten, folgte Ulrich von Ensingen, der den Bauplan
grundlegend änderte. Er setzte sich in den Kopf, den größten
Kirchturm des christlichen Abendlandes zu errichten. Eine
waghalsige Idee, deren Folgen sein Nachfolger, der Architekt
Matthäus Böblinger, zu spüren bekam.
In einer Mittagspredigt im Jahr 1492 stürzten plötzlich Steine
aus dem Gewölbe des fehlerhaft fundamentierten Hauptturms. Die
Besucher der Predigt flohen panisch aus der Kirche, weil – so
schreibt es der Chronist – "sie meinten, das Münster wolle
umfallen". Obwohl Böblinger nicht die geringste Schuld traf,
kündigte ihm die Stadt. Sein Nachfolger Burkhard Engelberg gilt
deswegen als "Retter" des Ulmer Münsters. Er stabilisierte den Turm
und teilte die Seitenschiffe, die ebenfalls einzustürzen drohten.
Im Jahr 1543 wurden die Arbeiten an dem Mammutprojekt "zur
Verhütung der Kosten" eingestellt. Über 300 Jahre ruhte der Bau am
Ulmer Münster – aus finanziellen, aber auch ästhetischen Gründen,
weil der Stil der Gotik mittlerweile längst überholt war.
1531 war das Ulmer Münster zur evangelischen Hauptkirche der
Stadt geworden. Wie auch in anderen Kirchen, die Protestanten von
den Katholiken übernommen hatten, galt es nun den Kirchenraum den
Bedürfnissen des protestantischen Gottesdienstes anzupassen.
Beispielsweise musste das Gestühl für die Gemeinde optimal
platziert werden. Die Gemeindemitglieder sollten der Predigt als
zentralem Bestandteil eines evangelischen Gottesdiensts und
gleichzeitig dem am Altar zelebrierten Abendmahl gut folgen können.
Bis heute ist das gesamte Laiengestühl statt auf den Chor auf die
Kanzel ausgerichtet, die sich am mittleren Langhauspfeiler
befindet. Davor steht ein schlichter Altartisch.
Als der Turm vor einigen Jahren wieder in Gefahr war, konnte die
Deutsche Stiftung Denkmalschutz helfen. Diesmal machte jedoch nicht
die Statik Probleme, sondern der Glockenstuhl. Die
Eisenkonstruktion und einzelne Glocken mussten dringend saniert
werden. Durch Feuchtigkeitsschäden waren zudem Schmuckteile des
Turmes marode. Die starke Krustenbildung verhinderte das
diffusionsoffene Verhalten der Figuren, so dass eindringende
Feuchtigkeit zu Schäden am Sandstein führte.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligte sich darüber hinaus
an verschiedenen Glasrestaurierungsarbeiten. Die Fenster wurden
herausgenommen, gereinigt, schadhafte Stellen gesichert und wieder
eingebaut, wobei die Schutzverglasungen teilweise unterteilt und
mit Sicherheitsglas ergänzt wurden. Zahlreiche Arbeiten an der
Innenraumausstattung wie die fachgerechte Restaurierung des
Hauptaltares, zahlreicher Tafelgemälde und Altäre der
Seitenkapellen sind darüber hinaus in den vergangenen Jahren durch
die treuhänderische "Julius-Rohm-Stiftung" in der Deutschen
Stiftung Denkmalschutz realisiert worden.
2014 hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Sanierung des
Chormauerwerks und der Chorfenster gefördert. Vor allem die
Chorfenster waren in einem desolaten Zustand, das Mauerwerk
verwittert und einzelne Steinteile wiesen Ausbrüche auf.
Anschließend wurde die aufwändige Sanierung des steinernen
Turmhelms in Angriff genommen. Erst 1844 vollendete August Beyer
das Werk. Er war es auch, der den ursprünglich 151 Meter hohen Turm
noch einmal um rund zehn Meter erhöhte. Warum er das tat, ist
ungewiss. Dass er lediglich den Kölner Dom um einige Meter habe
überragen wollen, wird von den Ulmern zumindest vehement
abgestritten. 1890 war der Bau endgültig abgeschlossen, zum
langfristigen Erhalt dieser Landmarke müssen Sanierung und Pflege
des Baus aber kontinuierlich weitergehen. 2022 konnte der Westturm
mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz saniert werden.
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