26.08.2010 – Presse

Die Wiedererweckung der Lokomotiven-Werkstatt

Das DB-Stellwerk in Mülheim – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Das ehemalige Ausbesserungswerk der Rheinischen Bahn bildet mit seinen Großbauten technikgeschichtlich ein überregional bedeutendes Dokument des Industriehallenbaues. Doch undichte, teilweise fehlende Dachdeckung ließ ungehindert Nässe in die Halle strömen und schädigte die Standfestigkeit der Dachkonstruktion. Undichte Fenster, Mauerwerksrisse und mangelhafte Verfugung verstärkte die Feuchtigkeit im Mauerwerk und im Raum. Ergebnis war die akute statische Gefährdung der Halle, die die Stadt an Abriss denken ließ. Doch vor drei Jahren entschlossen sich Mitglieder verschiedener Ruhrgebietsvereine für den Erhalt der alten Dreherei zu kämpfen, in der sie einen idealen Standort für ihre vielfältigen Aktivitäten sahen. Bei einer Internetversteigerung konnten sie das Gebäude erwerben, noch im selben Jahr gründeten sie darauf den "Trägerverein Haus der Vereine", der nach zähen Verhandlungen mit der Stadt das Grundstück für 90 Jahre pachtete. Nach erfolgter Bauschadensaufnahme 2008 begann die Rettung des technischen Denkmals.

1874 wurde für die Rheinische Bahn eine neue, an den Bahnhof Mühlheim-Speldorf angeschlossene Werkstätte für die Lokomotiven- und Wagenreparatur errichtet. Sie bestand aus einer Richthalle und einer Dreherei. Nachdem die Preußische Staatsbahn die Lok-Richthalle im Jahr 1880 übernommen hatte, wurde die Halle um weitere Querstände erweitert. 1884 fügte man eine Kesselschmiede, eine Schreinerei und weitere kleinere Anlagen hinzu und vergrößerte zugleich die Wagenabteilung durch die Erweiterung der Richthalle.

Umstrukturierungen im Güterverkehr führten Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verlagerung der Wagenausbesserung von Speldorf nach Duisburg-Wedau bei gleichzeitiger Modernisierung und Vergrößerung der Speldorfer Anlage. Mit der 254 mal 57 Meter großen Richthalle, ihren drei Gleisen und den 90 Ständen gehörte sie zu den längsten Ausbesserungshallen der Deutschen Reichsbahn. Dabei wurde mit dem 1918 fertig gestellten Bau der Holzbinder-Halle, die aus einem zweigeschossigen Schiff und zwei Parallelschiffen besteht, technisches Neuland beschritten. Denn nach amerikanischem Vorbild wurden Längsstände eingerichtet, die den vormals üblichen Querständen gegenüber den Vorteil hatten, dass die innen liegenden Schiebebühnen wegfallen konnten. Außerdem boten sie den neuen langgezogenen Lokomotiven größeren Raum. Um 1950 erstreckte sich die Gesamtanlage im Ruhrgebiet über ein 128.000 Quadratmeter großes Gelände, von dem 45.700 Quadratmeter bebaut waren. Rund 2.000 Menschen arbeiteten hier jährlich an über 1.000 Lokomotiven. Mit dem Ende der Dampflokära wurde Speldorf von der Deutschen Bahn am 31. März 1959 geschlossen.

Die Stadt Mühlheim kaufte einen Großteil des Geländes für den Neubau eines Straßenbahndepots und um Industrie anzusiedeln. Neben der Stadt nutzte auch die Bahn die Gebäude weiterhin, die nun unter Denkmalschutz gestellt waren. 2007 kaufte ein Wohnungsbauunternehmen Teile des Geländes und riss die Richthalle I ab, für die Hallen II und III wurde der Abbruchantrag gestellt. Darauf gründete sich zu deren Rettung der Trägerverein „Haus der Vereine“ in der Halle II, der alten Dreherei. Das 1874 erbaute Gebäude ist ein ursprünglich 27 mal 70 Meter messender Hallenbau, der Anfang des 20. Jahrhunderts durch Verlängerung nach Norden auf 90 Meter Länge vergrößert wurde. Der Hallenaufbau - dreischiffig mit einem die Seitenschiffe überragendem Mittelschiff - spiegelt sich in der später verputzten Giebelfassade des Backsteinbaus wieder. Hohe Rundbogenfenster unterschiedlichen Formates mit gusseisernen Sprossen belichten die Halle. Von besonderer architektonischer Bedeutung ist die aus hölzernen Bindern bestehende Stütz- und Dachkonstruktion der Halle, die auf zwei Reihen gusseiserner Stützen ruht. Das Hängewerk hatte außer der statischen Funktion für das Gebäude auch die Aufgabe, schwere stählerne Maschinenteile der Lokomotive zu tragen, die mittels Laufschienen zur Bearbeitung durch die Halle transportiert wurden. 2008 erfolgte die Bauschadensaufnahme für die Halle unter tatkräftiger Mithilfe der engagiert zupackenden Vereinsmitglieder. Sicherungsstützen für die gefährdete Binderkonstruktion und eine partielle Notdeckung des Daches bereitete die Instandsetzung vor, die im letzten Jahr beginnen konnte. 

Bonn, den 26. August 2010