22.07.2010 – Presse

Galanterien im Pastorenhaus und eine stürmische Bootsfahrt

Die Pastorenhäuser in Lübeck – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Gleich zu Beginn des 17. Jahrhunderts erbauten die Gemeindemitglieder der Jakobikirche vier eng miteinander verbundene dreigeschossige Backsteinhäuser als Wohnraum für die Pastoren. Nachdem die Gottesmänner ausgezogen waren, fanden die Häuser ganz unterschiedliche Nutzungen, verkamen aber mit der Zeit zunehmend. Um die Verwahrlosung und den teilweise desolaten Zustand der Domizile zu beseitigen und zudem die geplante Herrichtung zu Ausstellungszwecken zu gewährleisten, waren restauratorische Voruntersuchungen unerlässlich. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) unterstützte diese für die Häuser 3 und 4 im Jahr 2006. Schließlich wollte man, wie es in früheren Zeiten gewesen war, die einzelnen Gebäudeteile wieder durchlässig miteinander verknüpfen, um die Pastorenhäuser einerseits museal, andererseits als Büros der Kirchengemeinde zu nutzen. Neben anderen Fördergeldgeber beteiligte sich auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2009 an den Arbeiten mit einer Fördersumme von 100.000 Euro.

Trotz manch beklagenswerter Verluste prägen vornehmlich historische Bauten das Erscheinungsbild Lübecks. Seit den 1970er Jahren unternahmen die Stadtväter und die Bürger viel, um die lange vernachlässigte Altstadt zurückzugewinnen. Ein erfolgreiches Bemühen. 1987 fand das größte deutsche Flächendenkmal auf der 100 Hektar großen Insel zwischen Trave und Elbe-Lübeck-Kanal seinen Weg auf die Liste des UNESCO-Welterbes. Da hatte das auf dem 50 Mark-Schein abgebildete Holstentor den Bekanntheitsgrad des Lübecker Marzipans über die Grenzen der alten Hansestadt schon weit übertroffen.

Doch auch weniger bekannte Preziosen hat Lübeck zu bieten. Eine steht zum Beispiel im Schatten der Jakobikirche. Nur durch einen schmalen Gang von dem Gotteshaus getrennt, dienten ehemals zwei parallel aneinander gebaute, dreigeschossige Backsteinhäuser aus den Jahren 1601 und 1602 den Pastoren an St. Jakobi als Pfarrhaus. Die Breitfront zum Koberg beherrschen noch heute acht große Hauptgeschossfenster, deren Entlastungsbögen flach gehalten und deren Dekor Keilsteine aus Sandstein sind. Im Dach finden sich unter Schweifgiebeln drei schmale Erker. Der Zugang zu den Gebäuden erfolgte einstmals über zwei Rundbogentüren mit Rahmenprofil. Die Fassaden zum Jakobikirchhof hin, wo sich heute die Haupteingänge befinden, sind schlichter gestaltet. Die Grundrisse der letztlich vier eng beieinander stehenden Häuser sind verwinkelt und unregelmäßig, kein Stockwerk besitzt die gleiche Zimmeraufteilung. Und überraschenderweise bergen die viermal drei Raumvariationen jeweils eine kunsthistorische Kostbarkeit: seien das nun barocke Wandmalereien oder handbemalte Spann-Tapeten, bemalte Holzbretter aus dem 15. oder Balkendecken mit Landschaftsmalereien aus dem 17. Jahrhundert. In eine dieser Balkendecken in Haus 1 sind neben Landschaftsgemälden niederländischer Art auch eine Bilderfolge eingelassen, die die romantische Geschichte eines Paares erzählt, das sich bei einer stürmischen Bootsfahrt näherkommt. Bekräftigt wird ihr Bund durch ein zu ihren Füßen spielendes Hündchen, dem Symbol der Freundschaft und Treue. Weitere bemalte Balkendecken aus dem 17. und 18. Jahrhundert finden sich in den Häusern Nummer 3 und 4.

Bis ins 20. Jahrhundert diente das Haus als Organistenwohnung, heute ist im Anbau das Hugo-Distler-Archiv untergebracht. Auch die St. Jakobi-Knabenschule war früher in Haus Nr. 1 und Haus Nr. 2 untergebracht, zugleich mit den Wohnungen für den Chorleiter und die Witwen unterer Kirchenbeamten sowie – im Keller mit Ausgang zum Koberg – für die Wohnung des Sargträgers.

Künftig will die Kirchengemeinde in die jetzt teilweise leerstehenden Räume einziehen und dort Büros und Versammlungsräume einrichten. Wiederentdeckte Türöffnungen sorgen für die problemlose Anbindung von Haus 2 an die heute schon von der Gemeinde genutzten Häuser 3 und 4. Haus 1 soll zukünftig öffentlich zugänglich sein, vermutlich – in Erweiterung der Pamirgedenkstätte in der Kirche – als nationale Gedenkstätte für die Opfer der zivilen Seefahrt. Jährlich sterben auch heute noch etwa 4.000 Seeleute auf dem Meer.