04.09.2020 – Nordrhein-Westfalen

Preis der Stiftung Kleines Bürgerhaus wird auch 2020 verliehen

Preisträger aus Herzebrock-Clarholz und Rheine teilen sich die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung

Alle zwei Jahre vergibt die treuhänderische Stiftung Kleines Bürgerhaus in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) ihren Preis „scheinbar unscheinbar“. Mit der Auszeichnung werden herausragende Leistungen zur Erhaltung, Erforschung und Vermittlung „Kleiner Bürgerhäuser“ gewürdigt. In diesem Jahr geht das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro zu gleichen Teilen an zwei Preisträger. Am Dienstag, den 8. September 2020 um 11.00 Uhr werden Ulla Grünewald und Wolf Bredow für ihr Engagement zur Rettung des lange verfallenden Handwerkerhauses Pietig in der Kapellenstraße 37 in Herzebrock-Clarholz, Ortsteil Möhler, prämiert. Einen Tag später, am 9. September 2020, ebenfalls um 11.00 Uhr, erhält der Verein Historische Altstadt Rheine e.V., vertreten durch Dr. Peter Rohlmann, den Preis für seine Bemühungen, Stadtgeschichte anhand eines sogenannten Mauerhauses in der Straße Münstermauer 27 erlebbar zu machen. Die Laudatio hält beide Male Dr. Fred Kaspar, Vorstandsvorsitzender und Gründungsstifter der Stiftung Kleines Bürgerhaus.

Die Stiftung Kleines Bürgerhaus engagiert sich für den Erhalt historischer kleiner Bürgerhäuser in Westfalen-Lippe. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese scheinbar unscheinbaren architektonischen Zeugen der Alltagskultur unserer Vorfahren zu erforschen, zu bewahren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu vergibt sie seit 2010 alle zwei Jahre den Preis „scheinbar unscheinbar“, der mit 10.000 Euro dotiert und teilbar ist. Die Auszeichnung wird in folgenden Kategorien vergeben: Grundlagenforschung, Öffentlichkeitsarbeit, Vermittlung oder Präsentation, historische Dokumentation und Rettungs- oder Nutzungskonzept.
Weitere Informationen auf www.stiftung-kleines-buergerhaus.de.

Das Handwerkerhaus in Herzebrock-Clarholz (Ortsteil Möhler) wurde 1852 an seinem heutigen Standort durch Franz Pietig errichtet. Aus Geldmangel baute er in Zweitverwendung ein altes Kötterhaus aus dem 18. Jahrhundert wieder auf und ließ sich als Maler und Glaser nahe der Zufahrt zum Schloss Möhler nieder. Das Haus veranschaulicht die bescheidenen Arbeits-, Lebens- und Wohnverhältnisse einer Handwerkerfamilie im ländlichen Münsterland. Die heutigen Eigentümer, Ulla Grünewald und Horst Bredow, erwarben das Haus 2019 und bewahrten es so vor dem Abriss. Sie führen die Sanierung unter der Prämisse durch, möglichst wenig von der gewachsenen historischen Substanz des gesamten Anwesens – Wohnhaus, Scheune, Remise und Garten – aufzugeben. Durch geschickte Unterteilung werden drei Wohnbereiche geschaffen, die möbliert und auf Zeit vermietet werden. Die moderne Haustechnik wird in einem Nebengebäude untergebracht. Für die Instandsetzung, die Ulla Grünewald weitgehend in Eigenleistung durchführt, werden historische Materialien und Handwerkstechniken verwendet. „Wir wollen zeigen, dass es große Freude bereitet, ein solches Haus mit natürlichen Materialien und in Eigenleistung zu renovieren“, kommentiert Ulla Grünewald ihr Projekt voller Begeisterung. Dr. Fred Kaspar, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kleines Bürgerhaus begründet die Entscheidung der Jury: „Mit dem Preis wollen wir darauf aufmerksam machen, welchen herausragenden Beitrag Privatpersonen für den Erhalt eines historischen Gebäudes leisten können.“

Das Mauerhaus an der Münstermauer in Rheine wurde im 16. Jahrhundert aus Platznot innerhalb der Stadt unmittelbar an der Stadtmauer errichtet. Im Laufe der Zeit wurde es vielfach modernisiert und an die Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner angepasst. Noch heute erzählen bauliche Spuren von den bescheidenen Lebensverhältnissen seiner Bewohner, so etwa eine Ziegentreppe, über die das Kleinvieh zu den Weiden geleitet wurde. Die Stadt Rheine hat das Haus angekauft und dem Verein Historische Altstadt Rheine e. V. zur Nutzung übergeben. Dr. Fred Kaspar, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kleines Bürgerhaus lobt: „Der Verein will als Träger die Geschichte des Hauses zunächst gründlich erforschen, bevor ein konkretes Restaurierungs- und Nutzungskonzept beschlossen wird. So wird vermieden, dass aussagekräftige Bauspuren voreilig zerstört werden.“ Die Grundidee steht dennoch fest: Die verschiedenen Nutzungsphasen des Hauses sollen zur Vermittlung der Stadtgeschichte genutzt und Geschichte erlebbar gemacht werden, unter anderem für Schulkinder im Rahmen des Sachunterrichts. Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Peter Rohlmann, erläutert: „Wir sehen das Mauerhaus als ein Element der historischen Stadtstruktur an, die durch Vernetzung mit anderen Trägern sowie durch virtuelle Inszenierungen erfahrbar gemacht werden soll.“

Die Stiftung Kleines Bürgerhaus ist eine von über 240 Stiftungen, die die private Deutsche Stiftung Denkmalschutz treuhänderisch unter ihr Dach aufgenommen hat. Die auf Dauer angelegte Unterstützung der Treuhandstiftungen hat sich in Anbetracht knapper öffentlicher Kassen zu einem wichtigen Förderinstrument entwickelt, das nicht mehr aus der deutschen Denkmallandschaft wegzudenken ist.