09.08.2010 – Presse

„Schwitzen statt Sitzen“: Wo sich Bußgelder abarbeiten lassen

Die Stephanuskirche in Eckstedt – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz 

2002 bedeutete der Absturz der Turmbekrönung der Stephanuskirche im thüringischen Eckstedt einen herben Rückschlag für die Bemühungen der Gemeinde. Acht Jahre lang hatte sie bereits um den Bau gerungen: gegen den Echten Hausschwamm gekämpft, der die umfassende Sanierung des Dachstuhls erzwang, das Kirchenschiff neu gedeckt und die Fenster abgeschlossen. 1998 hatte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die statisch-konstruktive Sicherung des Dachstuhls unterstützt und danach die Instandsetzung des Turmes begleitet. Doch mutlos machte die Eckstedter der Sturmschaden nicht. Ihr sakrales Kleinod war ihnen jede Anstrengung wert. 2005 und 2006 folgte die Instandsetzung von Turmhaube, Haubenfuß und Glockenaufhängung und endete die Wiederherstellung des Innenraumes, 2007 verputzten sie das Kirchenschiff. Dabei half der engagierten Gemeinde auch die Zusammenarbeit mit dem im Land etablierten Verein „Bewährungs- und Straffälligenhilfe Thüringen“, der durch das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ das Abarbeiten von Bußgeldern durch Arbeitseinsätze ermöglicht. 

In Eckstedts Ortsmitte steht inmitten des Friedhofs die Dorfkirche St. Stephanus. Der 1740 bis 1744 als Patronatskirche errichtete Sakralbau ist einer der wenigen Kirchengebäude Thüringens, die als Zentralbauten ausgeführt wurden. Der achteckige, gestreckte Zentralbau mit einer in den Dachstuhl integrierten ovalen Kuppel ist damit etwas ganz Besonderes in Thüringen. Mit dem im Westen vorgelagerten Turm verbindet die im Zopfstil errichtete Kirche ein Zwischenanbau. 

Die barocke Fassung des Innenraums stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Über einer weißen Grundierung sind die Gliederungselemente - Füllungen und Stützen - in einer pastellroten Marmorierung ausgeführt, vergoldete Zierleisten ergänzen die Fassung. Bestimmend für die Innenraumwirkung ist ein doppelter, umlaufender Emporenring, der auch das Gestühl im Erdgeschoss mit einbindet. Die ehemalige Patronatsloge, der Kanzelaltar und das Taufgestell aus der Zeit um 1750 vervollständigen die Ausstattung. Die älteste Glocke des Geläuts stammt aus dem Jahr 1770. Die Obergeschosse des Turmes hatte man ursprünglich in Fachwerkweise erbaut. Erst 1864 erfolgte eine massive Erneuerung sowie der Einbau zweier Portale in das Kirchenschiff. 

Der ehemals in Schiefer gedeckte Kirchturm und das Kirchendach wurden noch vor der Wende erneuert – allerdings in Asbestplatten und mit Betonziegeln. Gewissermaßen ist die ganze Kirche ein klassischer Problemfall der DDR-Zeit. Nicht etwa aus Mangel an gutem Willen, sondern wegen der Engpässe an Material und Fachkräften wurde sie nach dem Weltkrieg immer wieder nur notdürftig geflickt, so dass sie zusehends verfiel und auf Rettung harrte. Dass nun Straftäter aus dem Umkreis von Erfurt die Möglichkeit bekamen, ihre Geldauflagen gegebenenfalls auch abarbeiten zu können, erwies sich als Segen für St. Stephanus. Von „Schwitzen statt Sitzen“ ist der pensionierte Superintendent Hans Kühn begeistert. Durch die Sozialarbeit der Bewährungs- und Straffälligenhilfe Thüringen e.V. können Menschen, die seit Jahren keiner festen Arbeit mehr nachgehen, wieder den normalen Alltag erleben. Die gute Qualität der Arbeit unter Aufsicht eines Fachrestaurators bestärkte die Architekten darin, auch in Zukunft auf die Hilfe von Bussgeldzahlern zu zählen. Sieben von ihnen, darunter zwei gelernte Maurer, verputzten 2006 den Turmschaft der Kirche, nachdem sie zuvor schon erfolgreich im Innenraum gearbeitet hatten. 

Nachdem der Hausschwamm erfolgreich bekämpft, Kirchenschiff und Turmhaube neu eingedeckt und die Fenster, der Haubenfuß sowie die Aufhängung der Glocken saniert waren, fehlte nur noch der Verputz des Kirchenschiffs. Den Willen zur Vollendung hielten auch Rückschläge wie der Sturm im Februar 2002 nicht mehr auf. Schon werden in Eckstedt wieder Kinder getauft - über dem hölzernen Taufgestell in Form einer Muschel aus der Barockzeit, dessen Becken von drei prachtvoll stilisierten Delphinen mit übergroßem Kopf, breitem Maul und großen Schuppen getragen wird, einem gerade damals sehr beliebten Motiv. Vermutlich aufgrund der Ähnlichkeit der griechischen Wörter delphis (Delphin) und delphys (Schoß) diente der freundliche Wasserbegleiter als Sinnbild des Weiblichen und der Neugeburt.