05.08.2010 – Presse

Venezianische Vorbilder verschmolzen mit einheimischer Tradition

St. Anna in Augsburg – Ein Förderprojekt der vor 25 Jahren gegründeten Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Etwas abseits vom Augsburger Dom und der Basilika St. Ulrich und Afra errichteten im 14. Jahrhundert Karmelitermönche ein Kloster mit der dazugehörenden Kirche. Im darauffolgenden Jahrhundert erweiterte man das Gotteshaus und baute eine Kapelle an. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde das Gebäude erneut verändert, dabei ließ sich die Familie Fugger hier eine Grabkapelle im Renaissancestil errichten. Als das Annenkloster 1531 aufgelassen wurden, wurden die Klostergebäude zum Gymnasium umfunktioniert. Anfang des 17. Jahrhunderts errichtete Stadtbaumeister Elias Holl für die Schule ein eigenes neues Schulhaus und eine Bibliothek, für die Kirche den heutigen Turm. Schon aufgrund ihrer einzigartigen Ausstattung gehört die Annakirche zu den Preziosen der deutschen Kunstgeschichte. Der Aufenthalt Luthers im angrenzenden Kloster 1518 und die Rolle der Kirche bei den Reformationsbemühungen der Prediger Urbanus Rhegius und Stephan Agricola sowie die Unterzeichnung der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999" sichern dem Bau auch die kirchenhistorische Bedeutung.

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Von drei Seiten ist die 1321 von Karmelitern gegründete und nach 1487 erweiterte einstige Klosterkirche, die heutige evangelisch-lutherische Pfarrkirche St. Anna von Gebäuden umschlossen. Nur von der Annastraße aus betrachtet, lässt sich der Kirchenbau als malerisch gestufte Gruppe bunter Formenvielfalt erleben. Hinter einer niedrigen Mauer erhebt sich das ausgreifende Chorpolygon, dessen Grundmauern noch aus der Anfangsphase stammen. An der Nordseite lehnt sich die 1429 gestiftete „Goldschmiedekapelle“, an der Südseite die ebenfalls vom Gründungsbau erhaltene Große Sakristei an. Von ferne dominiert das Erscheinungsbild der reich profilierte Turm, den Elias Holl 1602 errichtete.

Das Innere der dreischiffigen Kirche beherrscht die barocke Ausgestaltung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die die Stuckatoren Johann Michael III., Franz Xaver der Ältere und Simpert Feichtmayr zusammen mit dem Maler und seinerzeitigen Augsburger Akademiedirektor Johann Georg Bergmüller gestalteten. Unberührt blieben davon die gotischen Kreuzrippengewölbe im Chor mit ihren Wappenschlusssteinen. Altarraum und Langhaus trennt eine dreiteilige, ursprünglich gotische Lettnerempore, die 1682 größtenteils erneuert wurde. Im südlichen Seitenschiff findet sich eine Empore vom Ende des 17. Jahrhunderts, in deren Brüstungen Passionsbilder von Johann Spillenberger und Isaak Fisches des Älteren eingelassen sind. Im ganzen Raum verteilt sind Gemälde der besten deutschen Künstler des 16. und 17. Jahrhunderts, darunter Christoph Amberger, Lucas Cranach der Ältere, Hans Freiberger, Joseph Heintz der Ältere, Johann Heiss, Johann Rottenhammer und Joachim von Sandrart. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat man im Südwesten die Heilig-Grab-Kapelle als Nachbildung des Heiligen Grabes in Jerusalem angebaut.

Den westlichen Abschluss des Mittelschiffs, gleichsam einen Westchor, bildet die Fuggerkapelle, die um 1506 von den Fuggerbrüdern Georg, Ulrich und Jakob gestiftet, von 1509 bis 1512 erbaut und 1518 geweiht wurde. Der wohlproportionierte Raum, der sich über quadratischem Grundriss erhebt und von unregelmäßigen Abseiten begleitet wird, ist das früheste und vollkommenste Denkmal der Renaissance auf deutschem Boden. Seine kunstgeschichtliche Bedeutung liegt in der Verschmelzung italienischer, insbesondere venezianischer Vorbilder mit der einheimischen Tradition.

Die meisten Namen der entwerfenden und ausführenden Künstler des sakralen Kunstwerks sind nicht überliefert, doch scheint Albrecht Dürer schon um 1506 maßgeblich in die Planung der Fuggerkapelle einbezogen gewesen zu sein. Nicht weniger bedeutende, einheimische Kräfte waren für die anspruchsvolle Ausgestaltung verantwortlich: Hans Daucher schuf sowohl die meisterlich ziselierten Predellenreliefs des Altars als auch die bekrönende Fronleichnamsgruppe, die zu den edelsten Skulpturen der deutschen Renaissance unter venezianisch-schwäbischem Einfluss zählt. Jörg Breu der Ältere gestaltete die Malereien der Orgelflügel und Adolf Daucher die in die Westwand integrierten Epitaphien der Auftraggeber, wobei die Platten für Georg und Ulrich Fugger auf Entwürfe von Albrecht Dürer zurückgehen.