Auch Jahrhunderte nach der Reformation waren die Konfessionen in Deutschland alles andere als in der Ökumene vereint - im Gegenteil, die Konkurrenz war allgegenwärtig.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert, zur Zeit des Kulturkampfes zwischen Staat und Katholischer Kirche, glichen die Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken dem Ritt auf einem glühenden Pulverfass. Die Verkündigung des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit und des Papst-Primats, mit dem die katholische Kirche sich selbst zum Führer des gesamten Christentums bestimmte, auf dem ersten Vatikanischen Konzil tat ein Übriges!
Diese Auseinandersetzungen hatten auch auf den Kirchenbau Auswirkungen. Die Gedächtniskirche der Protestation sollte ein selbstbewusstes Zeichen gegen die Ansprüche und das Selbstverständnis der Katholiken werden. Eine Hauptkirche der gesamten protestantischen Christenheit sollte entstehen, dementsprechend sollte auch die gesamte protestantische Welt mit Spenden zu ihrer Verwirklichung beitragen. Doch die Einwerbung der Mittel verlief schleppend, die Gelder wollten zunächst nicht recht fließen. Von der ersten Idee bis zur Grundsteinlegung vergingen mehr als 35 Jahr. Erst als der protestantische Kaiser Wilhelm II. sich für den Bau verbürgte, konnten die Arbeiten beginnen.
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In Erinnerung an den Reichstag von 1529
Schließlich entstand 1890-1904 nach Plänen von Julius Flügge und Carl Nordmann aus Essen der Bau mit dem höchsten Kirchturm der Pfalz - 100 Meter hoch - als Würdigung der Ereignisse des Reichstags, der 1529 in Speyer stattgefunden hatte. Weil der Kaiser damals mit einem Beschluss die Reformation zum Stillstand hatte bringen wollen und das drei Jahre zuvor zugestandene Recht eines jeden Landesherren in Glaubensdingen nach seinem Gewissen zu handeln, zurückgefordert hatte, hatte sich Widerstand formiert. Der Beschluss hatte auf dem Reichstag zwar eine katholische Mehrheit gefunden, doch die evangelischen Fürsten und Reichsstädte hatten protestiert. Sie hatten sich auf die Freiheit des Einzelnen in Gewissens- und Glaubensfragen berufen und sich damit öffentlich zum Reformator Martin Luther und seiner Lehre bekannt. Die sogenannte Protestation zu Speyer ging nicht nur in die Geschichtsbücher ein, sondern verleiht den Protestanten bis heute ihren Namen. Mit der Gedächtniskirche sollte diesem Ereignis über 300 Jahre später schließlich ein Denkmal gesetzt werden.
Eine neogotische Kathedrale
In Konkurrenz zum katholischen Dom am anderen Ende Speyers wurde die Gedächtniskirche der Protestation mit größtem Aufwand im neogotischen Kathedralstil erbaut. Ohne Unterstützung des protestantischen Kaisers Wilhelm II. (1859-1941) wäre sie kaum finanzierbar gewesen. Im Krieg nie zerstört zählt die Kirche mit ihrer originalen Ausstattung heute zu den hervorragenden künstlerischen Leistungen ihrer Zeit und wird als Summe der protestantischen Bau- und Bildhauerkunst angesehen.
Der im Kreuzpunkt mehrerer Straßen stehende Bau ist ganz in hellem Sandstein ausgeführt. Es handelt sich um eine dreischiffige Hallenkirche mit Querhaus, die durch den in herrlichem Maßwerk aufgelösten Turm ergänzt wird. Im Erdgeschoß sind überlebensgroße Standbilder von Luther und den sechs Fürsten zu bewundern, die 1529 auf dem Reichstag von Speyer für die Glaubensfreiheit protestiert hatten. Auch die zahlreichen, detailliert gestalteten Kirchenfenster stellen Szenen aus der Bibel und der Kirchengeschichte dar.
2001 unterstützte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Sanierung des Sandsteinturms und seiner Haube.
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Neugotische Sandsteinhalle, 1893-1904 von Julius Flügge und Carl Nordtmann, Förderung 2001.
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