12.04.2024 – Brandenburg

DSD fordert Abrissmoratorium für den denkmalgeschützten Komplex am Bogensee

Authentische Zeugnisse aus NS- und DDR-Zeit heute wichtiger denn je

Kurzfassung: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) fordert eine breite öffentliche Diskussion um den Wert des historischen Gebäudekomplexes am Bogensee in Wandlitz. „Sowohl die Goebbels-Villa als auch der Komplex der einstigen Jugendhochschule der FDJ am Bogensee in Wandlitz sind wichtige Zeitzeugen deutscher Geschichte“, so Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der DSD. Die öffentliche Hand - das heißt Bund, Länder und Gemeinden - sind als Denkmaleigentümer in der Pflicht, die Zeugnisse der Geschichte zu erhalten, auch und gerade, wenn sie schwierig sind. Dabei geht es um den Erhalt der Grundsubstanz der Anlage und der architektonischen Ausdrucksformen. Sich der Verantwortung durch Abriss zu entledigen, wäre nach Worten von Skudelny „eine Blamage“. Eine vordergründige, rein ökonomische Betrachtung ignoriert wichtige Parameter wie Abrisskosten und Umweltbelastung in einer Vollemissionsrechnung. Ein zuletzt von Bürgermeister und Landrat vorgeschlagener Lern-, Begegnungs- und Gedenkort rechtfertige das von ihnen geforderte fünfjährige Abrissmoratorium. Erst vor zwei Monaten ist mit dem Abbruch des Generalshotels auf dem BER Flughafen in Berlin-Schönefeld ein einzigartiges Stück deutscher Geschichte zerstört worden. In Erinnerung an diesen letzten unrühmlichen Abriss eines völlig intakten Denkmals fordert Skudelny mit Blick auf Bogensee: „Ein zweites Generalshotel darf es nicht geben!“

Langfassung: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) begrüßt eine breite öffentliche Diskussion um den Wert des historischen Gebäudekomplexes um die Goebbels-Villa und die einstige Jugendhochschule der FDJ am Bogensee in Wandlitz.

Abriss ist unverantwortlich
Diskutiert wird, ob die denkmalgeschützten Zeugnisse der beiden totalitären Systeme, der NS-Zeit und der DDR, eine Zukunft haben - oder ob sie abgerissen werden, wie es der Aufsichtsrat der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) beantragen will. Ein Abriss wäre jedoch nach Worten von Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der DSD, „eine fatale Fehlentscheidung“. Insbesondere die öffentliche Hand – ob Bund, Länder und Gemeinden – sei in der Pflicht, wichtige Zeugnisse der Geschichte zu erhalten. Stehen Denkmale doch genau deshalb unter gesetzlichem Schutz, damit sie gerade in schwierigen Phasen bewahrt werden. Die Vorbildfunktion des Staates im Denkmalschutz zu ignorieren wäre unverantwortlich. Die Denkmale am Bogensee dokumentieren authentisch die politischen Verhältnisse ihrer Zeit und verdeutlichen eindrucksvoll deren diktatorisch geprägte Grundstruktur und den Willkürcharakter beider Epochen. Gerade in einer Zeit zunehmender Bedrohung der Demokratie müssen die Zeugnisse der totalitären Systeme der Geschichte erhalten und erfahrbar bleiben.

Abriss ist nicht nachhaltig
Die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) stützt sich in ihren Überlegungen auf rein ökonomische Berechnungen für den Denkmalerhalt. Die eigentliche „Dividende“ eines Denkmals, sein Wert als Wissensspeicher für die konkreten Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft, bleibt völlig unberücksichtigt. Außerdem werden weder Parameter wie Abrisskosten und Entsorgung noch Umweltbelastungen und Vernichtung gebundener Energie in einer Vollemissionsrechnung eingepreist. Der Erhalt von Altbaubestand bei transparenter Einrechnung aller relevanter Faktoren ist dagegen eine unvergleichlich ökologischere und nachhaltigere und damit verantwortungsbewusstere Entscheidung. Dies gilt in besonderer Weise für den Komplex Bogensee, der trotz jahrzehntelangem Leerstand durch die bisher erfolgte Sicherung in erstaunlich gutem Zustand ist.

In der Umnutzung vorhandener Bausubstanz sieht Skudelny für das Areal am Bogensee eine Chance. „Über eine kluge Umnutzung dieses großen Areals in Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen neu nachzudenken, ist zwingend erforderlich“, so Denkmalschützer Skudelny. Es stünden viele kompetente Partner bereit, hierbei zu helfen. Er unterstützt daher auch das von Bürgermeister Oliver Borchert und Landrat Daniel Kurth geforderte fünfjährige Abrissmoratorium.

Kein zweites Generalshotel
Erst vor zwei Monaten ist mit dem Abbruch des Generalshotels in Berlin-Schönefeld unter Verweigerung von Dialog, Partizipation und Transparenz ein Stück deutscher Geschichte zerstört worden. In Erinnerung an diesen letzten unrühmlichen Abriss eines völlig intakten Denkmals fordert Skudelny mit Blick auf Bogensee: „Ein zweites Generalshotel darf es nicht geben!“

Zum Projekt:  1936 schenkte die Stadt Berlin das Grundstück am Bogensee dem damaligen NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zum 39. Geburtstag. 1939 ließ er nach einem Entwurf des Architekten Heinrich Schweitzer einen Landsitz im Heimatschutzstil errichten, der nach dem Zweiten Weltkrieg von der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der Jugend-Massenorganisation der DDR, als Bildungsstätte genutzt wurde. Ab 1951 entstand unter Leitung des Architekten Hermann Henselmann, dem Erbauer der Stalinallee in Berlin, neben der Goebbels-Villa der palastartige Hochschul-Komplex der FDJ-Jugendhochschule Wilhelm Pieck im Stil des sozialistischen Klassizismus. 1991 bis 1999 befand sich hier ein Tagungshotel des Internationalen Bunds für Sozialarbeit.